1 (1.) Da jetzt der Grimm der Soldaten gar keine Nahrung mehr fand, und das Heer nichts mehr zu morden und zu rauben hatte – denn sicher war es nicht das Gefühl der Schonung, das die Römer zurückgehalten haben würde, falls es für sie noch etwas zu thun gegeben hätte – so befahl ihnen der Cäsar, die ganze Stadt und den Tempel abzugraben: stehen lassen sollten sie nur die Thürme, welche alle anderen überragten, den Thurm Phasael, Hippikus und Mariamne, 2 wie auch das Stück der Festungsmauer, das die Stadt von der Abendseite her schützte. Die Mauer sollte der zurückzulassenden Besatzung zum Lager dienen, die drei Thürme aber den künftigen Geschlechtern ein Wahrzeichen sein sowohl für die Macht der Stadt, der die römische Tapferkeit Meister geworden, als auch für die merkwürdige Art und Weise, wie ein so festes Bollwerk ihnen in die Hände fallen konnte. 3 Die ganze übrige Ringmauer wurde von den Arbeitern so gründlich geschleift, dass kein Fremder mehr sich hätte an Ort und Stelle überzeugen können, ob irgend je hier Menschen gewohnt haben. 4 Das war also das entsetzliche Ende, das Jerusalem, die Prächtige und bei allen Völkern Gefeierte, dank der Verblendung ihrer aufrührerischen Kinder, gefunden hat!
5 (2.) Als Besatzung sollte nach dem Beschlusse des Cäsars die zehnte Legion nebst einigen Reitergeschwadern und Cohorten Fußvolk in Jerusalem zurückbleiben. Da jetzt die militärische Aufgabe für Titus soviel wie gelöst war, so drängte es ihn nunmehr, dem gesammten Heere für seine glänzenden Leistungen die öffentliche Anerkennung auszusprechen und denen, die sich besonders ausgezeichnet hatten, die verdienten Ehrenpreise zu übergeben. 6 Zu diesem Zwecke betrat er in Begleitung seiner Unterfeldherrn eine große Estrade, die man ihm in der Mitte des früheren Lagers errichtet hatte, und hielt von da folgende, auch dem letzten Mann noch vernehmliche Ansprache: „Zunächst muss ich euch, Soldaten, meinen innigsten Dank für die Anhänglichkeit aussprechen, die ihr meiner Person bis zur Stunde unentwegt bewahrt habt. 7 Ich kann aber auch nicht umhin, euch meine volle Anerkennung
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/493&oldid=- (Version vom 1.8.2018)