Seite:Kaethe (Kleist) 079.jpg

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ROSALIE. Hab ich es dir nicht gesagt?

BRIGITTE. Nun, bei meiner Treu, so kann ich mich ins Grab legen: der Traum des Grafen vom Strahl ist aus!

KUNIGUNDE. Welch ein Traum?

ROSALIE. Hört nur, hört! Es ist die wunderlichste Geschichte von der Welt! – – Aber sei bündig, Mütterchen, und spare den Eingang; denn die Zeit, wie ich dir schon gesagt, ist kurz.

BRIGITTE. Der Graf war gegen das Ende des vorletzten Jahres, nach einer seltsamen Schwermuth, von welcher kein Mensch die Ursache ergründen konnte, erkrankt; matt lag er da, mit glutrothem Antlitz und phantasirte; die Ärzte, die ihre Mittel erschöpft hatten, sprachen, er sei nicht zu retten. Alles, was in seinem Herzen verschlossen war, lag nun, im Wahnsin des Fiebers, auf seiner Zunge: er scheide gern, sprach er von hinnen; das Mädchen, das fähig wäre, ihn zu lieben, sei nicht vorhanden; Leben aber ohne Liebe sei Tod; die Welt nannt’ er ein Grab, und das Grab eine Wiege, und meinte, er würde nun erst gebohren werden.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe, ein großes historisches Ritterschauspiel. Berlin: Realschulbuchhandlung, 1810, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kaethe_(Kleist)_079.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)