Seite:Kaethe (Kleist) 080.jpg

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– Drei hintereinander folgende Nächte, während welcher seine Mutter nicht von seinem Bette wich, erzählte er ihr, ihm sei ein Engel erschienen und habe ihm zugerufen: Vertraue, vertraue, vertraue! Auf der Gräfin Frage: ob sein Herz sich, durch diesen Zuruf des Himmlischen, nicht gestärkt fühle? antwortete er: Gestärkt? Nein! – und mit einem Seufzer setzte er hinzu: „doch! doch, Mutter! Wenn ich sie werde gesehen haben!“ – Die Gräfin fragt: und wirst du sie sehen? „Gewiß!“ antwortet er. Wann? fragt sie. Wo? – In der Sylvesternacht, wenn das neue Jahr eintritt; da wird er mich zu ihr führen. Wer? fragt sie, Lieber; zu wem? Der Engel, spricht er, zu meinem Mädchen – wendet sich und schläft ein.

KUNIGUNDE. Geschwätz!

ROSALIE. Hört sie nur weiter. – Nun?

BRIGITTE. Drauf in der Sylvesternacht, in dem Augenblick, da eben das Jahr wechselt, hebt er sich halb vom Lager empor, starrt, als ob er eine Erscheinung hätte, ins Zimmer hinein, und, indem er mit der Hand zeigt: „Mutter! Mutter! Mutter!“ spricht er. Was giebt’s? fragt sie. „Dort! Dort!“ Wo? „Geschwind!“

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe, ein großes historisches Ritterschauspiel. Berlin: Realschulbuchhandlung, 1810, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kaethe_(Kleist)_080.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)