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     Frisch geschmiedet mahlt der Sampo,
Schaukelt hin und her der Deckel,
Mahlt ein Maaß beim Tagesanbruch,

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Mahlt ein Maaß, daß man es esse,

Mahlt ein zweites zum Verkaufen,
Mahlt ein drittes zum Verwahren.
     Freudvoll war des Nordens Alte,
Brachte dann den großen Sampo
Nach des Nordlands Felsenberge,
In den festen Berg von Kupfer,
Hinter neun der besten Schlösser,
Wurzeln läßt er dorten schießen,
Neun der Klafter in die Tiefe,

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Eine Wurzel in die Erde,

Eine an den Rand des Wassers,
In des Hauses Berg die dritte.
     Darauf bittet Ilmarinen
Gar bescheiden um die Jungfrau,
Redet Worte solcher Weise:
„Wirst du nun die Jungfrau geben,
Da der Sampo fertig worden
Und gar schön der bunte Deckel?“
     Nordlands wunderschöne Tochter

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Redet selber diese Worte:

„Wer würd’ wohl im nächsten Jahre,
Wer im übernächsten Sommer
Hier zum Ruf den Kuckuck bringen,
Wer die Vöglein hier zum Singen,
Wenn ich in die Fremde zöge,
Ich die Beer’ in fremde Länder!“
     „Ging’ das Hühnchen hier verloren,
Und verirrte sich das Gänslein,
Ging der Mutter Kirsch’ von hinnen

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Und die rothe Preiselbeere,

Würd’ der Kuckuck ganz verschwinden,
Hastig fort die Vöglein flattern
Von dem Gipfel dieses Hügels,
Von dem Rücken dieser Höhe.“
     „Werde in der Welt wohl nimmer
Diesen schönen Mädchentagen,
Werd’ der Arbeit nie entsagen,
Nie den sommerlichen Sorgen,
Ungepflücket blieb’ die Beere,

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Unerfüllt von Sang das Ufer,

Undurchwandelt blieb’ die Waldung,
Nicht würd’ in dem Hain ich spielen.“
     Ilmarinen, er, der Schmieder,
Dieser ew’ge Schmiedekünstler,
Schlechtgelaunt, gesenkten Hauptes,
Seine Mütze schief geschoben,
Fing nun an zu überlegen,
Hielt gar lange es im Kopfe,
Wie er sollt’ nach Hause reisen,

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In bekanntes Land gelangen

Aus dem nimmerhellen Nordland,
Aus dem düstern Sariola.
     Sprach die Wirthin von Pohjola:
„O du Schmieder Ilmarinen,
Weshalb bist du schlechter Laune,
Schiebest schief du deine Mütze,
Treibet dich dein Sinn zu gehen
Nach dem frühern Heimathlande?“
     Sprach der Schmieder Ilmarinen:

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„Dahin gehen die Gedanken,

Nach der Heimath, dort zu sterben,
In dem Land zur Ruh’ zu kommen.“
     Nordlands Wirthin drauf verpflegte
Wohl mit Speis’ und Trank den Helden,
Setzt ihn an des Bootes Ende,
Hin zum kupferreichen Ruder,
Ließ den Wind dann kräftig wehen,
Ließ den Nordwind heftig blasen.
     Ilmarinen, er, der Schmieder,

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Dieser ew’ge Schmiedekünstler,

Reist nach seinem Heimathlande
Auf dem blauen Meeresrücken;
Reiste einen Tag, den zweiten,
Endlich an dem dritten Tage
Kommt der Schmied nach Hause glücklich,
Nach dem Ort, wo er geboren.
     Fragt der alte Wäinämöinen
Von dem Schmieder Ilmarinen:
„Ilmarinen, du mein Bruder,

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Einzig ew’ger Schmiedekünstler,
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_052.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)