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Zwölfte Rune.


     Ahti Lemminkäinen selber,
Er, der schöne Kaukomieli,
Lebte nun beständig weiter
An der jungen Jungfrau Seite,
Weder zog er hin zum Kriege,
Noch Kyllikki nach dem Dorfe.
     Da geschah’s an einem Tage
Um die Zeit der Morgenstunde,
Fort ging Ahti Lemminkäinen,

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Ging zum Ort, wo Fische laichen,

War am Abend nicht zurücke,
Nicht beim Anbruch selbst der Nachtzeit,
Nach dem Dorfe ging Kyllikki,
Zu dem Tanz der muntern Mädchen.
     Wer wird wohl die Sache melden,
Wer die Bothschaft überbringen?
Ahti’s Schwesterlein Ainikki,
Diese meldete die Sache,
Überbrachte so die Bothschaft.

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„Ahti, du mein lieber Bruder!

Nach dem Dorfe ging Kyllikki,
Hin zu fremden Eingangspforten,
Zu dem Spiel der Dorfesjugend,
Zu dem Tanz der Schöngelockten.“
     Ahti, seiner Mutter Söhnlein,
Selbst der muntre Lemminkäinen
Ward gar unwirsch und verdrießlich,
Ward gar lange überböse,
Selber sprach er diese Worte:

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„Mutter, du, o theure Alte,

Wirst mein Hemd geschwinde waschen
In der Jauche schwarzer Schlangen,
Wirst mit Schnelligkeit es trocknen,
Da zum Kampf ich mich begebe,
Zu der Nordlandskinder Feuern,
Zu der Lappensöhne Fluren,
Nach dem Dorfe ging Kyllikki,
Hin zu fremden Eingangspforten,
Zu dem Spiel der muntern Mädchen,

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Zu dem Tanz der Schöngelockten.“

     Sprach Kyllikki solche Worte,
Redet’ rasch auf diese Weise:
„O geliebter Mann, mein Ahti,
Ziehe nimmer hin zum Kriege!
Ich erblickte eingeschlafen,
Eingeschlummert solche Träume:
Feuer flog wie in der Esse,
Flammen schlugen hastig um sich,
Unter dieses Hauses Fenstern,

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Von dem Rande dieser Wände,

Flogen dann in diese Stube,
Schäumten gleich dem Wasserfalle
Von dem Boden auf zur Decke,
Von dem Fenster hin zum Fenster.“
     Selbst der muntre Lemminkäinen
Redet Worte solcher Weise:
„Glaube nicht an Weiberträume,
Gebe nichts auf Weiberschwüre;
Mutter, die du mich getragen,

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Bringe her mein Kriegeshemde,

Trag herbei den Rock des Kampfes;
Dorthin treibt mich das Gelüste;
Bier des Krieges will ich trinken,
Honigtrank des Krieges kosten.“
     Sprach die Mutter solche Worte:
„Lieber Ahti, du mein Söhnchen,
Ziehe nimmer hin zum Kriege!
Haben selber Bier im Hause
In den Erlenholzgefäßen,

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Hinter starken Eichenzapfen,

Dieses ist für dich zum Trinken,
Kannst den ganzen Tag selbst trinken.“
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Nimmer mag ich Bier zu Hause,
Trinke lieber reines Wasser
Von betheerter Ruderspitze,
Süßer ist mir das Getränke,
Als zu Hause alle Biere;
Bringe mir mein Kriegeshemde,

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Trag herbei den Rock des Kampfes!
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_059.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)