Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 085.jpg

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Daß ich durch die Enge komme,
Durch den Fluß hindurch gelange!“
     Tuoni’s kleingerathne Tochter,
Sie, die Jungfrau von Manala,
Sie, die Wäscherin der Kleider,

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Sie, die Spülerin der Wäsche,

War am Flusse von Tuoni,
In den Tiefen von Manala;
Redet Worte solcher Weise,
Läßt sich selber also hören:
„Kommen wird das Boot von hieraus,
Wenn den Grund du angegeben,
Der dich brachte nach Manala,
Ungetödtet durch die Krankheit,
Nicht vom Tod hinweggeraffet

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Und auch anders nicht vernichtet.“

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Tuoni bracht’ mich zu der Stelle,
Mana zog mich von der Erde.“
     Tuoni’s kleingerathne Tochter,
Sie, die Jungfrau von Manala,
Redet Worte dieser Weise:
„Kenne schon den Lügensprecher,
Hätt’ dich Tuoni hergeleitet,

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Mana aus der Welt gezogen,

Würde Tuoni selbst dich bringen,
Manalainen selber führen,
Tuoni’s Hut auf deinen Schultern,
Mana’s Handschuh’ an den Händen.
Sag’ die Wahrheit, Wäinämöinen,
Was dich nach Manala führte?“
     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Eisen bracht’ mich nach Manala,

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Stahl mich nach dem Reich Tuoni’s.“

     Tuoni’s kleingerathne Tochter,
Sie, die Jungfrau von Manala,
Redet selber diese Worte:
„Kenne bald den Lügensprecher,
Hätt’ dich Eisen hergeführet,
Stahl dich nach dem Reich Tuoni’s,
Würde Blut vom Kleide triefen,
Würd’ es roth herniederrauschen;
Sprich die Wahrheit, Wäinämöinen,

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Sage sie zum zweiten Male!“

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Wasser bracht’ mich nach Manala,
Wogen nach dem Reich Tuoni’s.“
     Tuoni’s kleingerathne Tochter,
Sie, die Jungfrau von Manala,
Redet Worte solcher Weise:
„Kenne gleich den Lügensprecher,
Brächt’ dich Wasser nach Manala,

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Wogen nach dem Reich Tuoni’s,

Würd’ es naß vom Kleide fließen,
Von dem Saume niedertriefen;
Sage doch genau die Wahrheit,
Was dich nach Manala führte?“
     Log der alte Wäinämöinen
Drauf zu wiederholten Malen:
„Feuer bracht’ mich nach Manala,
Flammen in das Reich Tuoni’s.“
     Tuoni’s kleingerathne Tochter,

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Sie, die Jungfrau von Manala,

Redet Worte solcher Weise:
„Seh’ gar wohl, daß du gelogen,
Brächt’ dich Feuer nach Manala,
Flammen nach dem Reich Tuoni’s,
Wären wohl versengt die Locken,
Wär’ dein Bart nicht ohne Schaden.“
     „O du alter Wäinämöinen,
Willst das Boot von hier du haben,
Mußt du streng die Wahrheit sagen,

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Mußt dem Lug ein Ende machen,

Weßhalb kamst du nach Manala,
Ungetödtet von der Krankheit,
Nicht entraffet von dem Tode,
Und auch anders nicht vernichtet?“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Hab’ ein wenig ich gelogen
Und die Wahrheit nicht gesprochen,
Will ich nun getreulich sagen:

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_085.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)