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Den dein Vater aus dem Kriege,
Aus dem Kampf einst mitgeholet.“
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Mutter, die du mich getragen,
Wär’ am Trinkkrug ich gekränket,
Würd’ ich selbst den Wirthen kränken,
Würde hundert Helden kränken,
Würde tausend Männer lehren.“
     Sprach die Mutter Lemminkäinen’s:

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„Weßhalb bist du denn verdrießlich,

Bist du mit dem Roß beschimpfet,
Mit dem Pferde du gekränket?
Bist du mit dem Roß beschimpfet,
Sollst du dir ein bess’res kaufen
Mit dem Reichthum deines Vaters,
Mit den Mitteln deines Alten!“
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Mutter, die du mich getragen!
Wär’ ich mit dem Roß gekränket,

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Mit dem Pferde ich beschimpfet,

Würd’ ich selbst den Wirth beschimpfen,
Würd’ die Rosselenker kränken,
Starke Männer mit den Rossen,
Helden auch mit ihren Pferden.“
     Sprach die Mutter Lemminkäinen’s:
„Weßhalb bist du so verdrießlich,
So betrübt in deinem Herzen,
Du, der aus Pohjola kommest,
Bist von Weibern du verspottet,

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Von den Mädchen ausgelachet?

Bist von Weibern du verspottet,
Von den Mädchen ausgelachet,
Giebt es Andre zu verlachen,
Giebt es Weiber zu verspotten.“
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Mutter, die du mich getragen!
Wär’ von Weibern ich verspottet,
Von den Mädchen ich verlachet,
Würd’ ich selbst den Wirth verspotten,

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Alle Mädchen ich verlachen,

Würde hundert Weibern trotzen,
Tausend andern Frauenzimmern.“
     Sprach die Mutter Lemminkäinen’s:
„Was geschah dir denn, mein Söhnchen!
Ist dir etwas zugestoßen
Auf dem Wege nach Pohjola;
Hast du etwas viel gegessen,
Viel gegessen und getrunken,
Hast auf deiner Ruhestätte

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Schlechte Träume du gesehen?“

     Sprach der muntre Lemminkäinen
Darauf Worte dieser Weise:
„Alte Weiber mögen denken,
Was man in dem Traum gesehen!
Kenn’ die Träume meiner Nächte,
Besser noch des Tages Träume:
Mutter du, o liebe Alte!
Fülle meinen Sack mit Wegkost,
Lege Mehl du in die Tasche,

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Lege Salz du in den Beutel,

Weiter muß dein Sohn nun wandern,
Muß nun aus dem Lande ziehen,
Aus dem lieben, goldnen Hause,
Aus dem wunderschönen Hofe;
Männer schärfen ihre Schwerter,
Wetzen ihre Lanzenspitzen.“
     Früher fragte ihn die Mutter,
Forschte nach dem Grund in Eile:
„Weßhalb wetzen sie die Schwerter,

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Schärfen sie die Lanzenspitzen?“

     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Deshalb wetzen sie die Schwerter,
Schärfen ihre Lanzenspitzen,
Mir, dem Armen, zum Verderben
Gegen meinen Kopf, ich Armer;
Kam ein Streit, entstand ein Kämpfen
Auf dem Hofe von Pohjola:
Tödtete den Pohjaländer,

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Ihn, den Pohjawirthen selber,

Auf zum Kampf hob sich das Nordland,
Zu dem Streit der wilde Haufen,
Gegen mich, den Mühbeladnen,
Alle gegen mich, den einen.“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_176.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)