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In der Lüfte Räumen leben,
Wunderschöne Schöpfungstöchter.“
     „Sommertochter, Weib voll Wonne,
Südentochter, Schöpfungsmutter,
Tannentochter, gute Wirthin,
Schöne Tochter des Wachholders,
Kleine Ebereschentochter,
Faulbaummädchen, Tapio’s Tochter,
Mielikki, du Schnur des Waldes,

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Tellerwo, Tapio’s Tochter!

Hütet ihr doch meine Heerden,
Übernehmt für sie zu sorgen,
In dem Sommer auf das Schönste,
In der Laubzeit voller Güte,
Während Laub am Baume rauschet,
Gräser auf der Erd’ sich wiegen!“
     „Sommertochter, Weib voll Wonne,
Südentochter, Schöpfungsmutter,
Breite aus die weichen Säume,

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Lege hin die weiße Schürze,

Meine Heerde zu bedecken,
Um die Kleinen zu beschirmen,
Daß kein böser Wind sie störe,
Sie nicht von dem Regen leiden.“
     „Hüt’ vor Unglück meine Heerde,
Schirm’ sie vor des Schadens Pfaden,
Vor den schwankungsvollen Sümpfen,
Vor den sprudelreichen Quellen,
Vor dem Wasser voll Bewegung,

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Vor den Wirbeln voller Tiefe,

Daß sie nicht in Unglück komme,
Nicht in Schaden sie gerathe,
In den Sumpf die Hufe sinken,
In die Quellen sie sich stürzen,
Gegen Gottes bestes Wollen
Und des Machtbegabten Rathschluß!“
     „Hol’ ein Hirtenhorn von weitem,
Von des hohen Himmels Nabel,
Du ein Honighorn vom Himmel,

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Von der Erd’ mit süßen Tönen!

Blase mächtig mit dem Horne,
Lärme auf dem tönereichen,
Blase Blumen auf die Hügel,
Blase schön der Fluren Ränder,
Reizend du der Haine Ränder,
Anmuthsvoll der Wälder Ränder,
Honigreich des Sumpfes Ränder,
Würzereich die Quellenränder!“
     „Gieb du Nahrung meiner Heerde,

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Sätt’ge meine lieben Rinder,

Nähr’ sie mit der Honigspeise,
Tränk’ sie mit dem Honigtranke!
Nähre sie mit goldnen Stoppeln,
Mit des Silbergrases Spitzen,
Mit den Quellen voller Leben,
Mit den starkbewegten Strudeln,
Aus dem Wasserfall voll Brausen,
Aus den Flüssen schnellen Laufes,
Von den goldbedeckten Hügeln,

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Von den silberreichen Hainen!“

     „Grabe du auch goldne Brunnen
An der Weide beiden Seiten,
Wo die Heerde Wasser trinke,
Daß der Honig rieseln möge
In die aufgeblähten Euter,
In die strotzend vollen Brüste,
Daß die Adern kräftig schwellen,
Daß die Milch in Flüssen fließe,
Bäche sich von Milch ergießen,

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Milch in Strömen muthig schäume,

Milch in Röhren mächtig brause,
Milch in Hörnern fleißig sprudle,
Jeder Zeit die Gab’ zu spenden,
Jeden Augenblick zu senden
Über schlechte Haufen Heues
Und vorbei den schlimmen Schwaden,
Daß die Milch nicht nach Manala,
Nicht zu Grund die Gabe gehe!“
     „Viele giebt es und gar Böse,

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Die die Milch zu Mana führen,

Die der Heerde Gab’ vernichten,
Die der Kühe Spend’ verschenken;
Wenig sind es, aber Gute,
Die die Milch von Mana holen,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)