Fort nach andern Landesstrecken,
Laufe du zu andern Hügeln,
Daß du nicht die Glocke hörest,
Nicht der Hirten Unterredung!“
„Höre, Otso, du, mein Theurer,
Schöner mit den Honigtatzen!
Nicht verbiet’ ich dir zu schweifen
Nur der Zunge zu berühren,
Mit dem garst’gen Mund zu greifen,
Mit den Zähnen zu zerreißen,
Mit den Tatzen sie zu packen.“
„Gehe krumm du um die Weide,
Schräg du um die milch’gen Fluren,
Schief du um der Glocke Töne,
Seitwärts von des Hirten Stimme!
Ist die Heerde auf den Fluren,
Rauschet durch den Sumpf die Heerde,
Mußt du nach dem Dickicht fliehen,
Geht die Heerde auf dem Berge,
Schreit’ du zu dem Fuß des Berges,
Geht die Heerd’ am Berge unten,
Magst du auf dem Berge gehen,
Zieht die Heerde nach dem Felde,
Mache du dich nach dem Busche,
Geht die Heerde in dem Busche,
Wandre gleich dem goldnen Kuckuck,
Gleich dem silberreichen Täubchen,
Gleich dem Schnäpel von der Seite,
Wie des Wassers Fisch du seitwärts,
Eile wie ein Bündel Wolle,
Gleich dem Büschel leichten Flachses;
Birg die Klauen in den Haaren,
In dem Zahnfleisch du die Zähne,
Daß die Heerde nicht erschrecke,
„Laß die Rinder du in Ruhe,
Die Behuften du in Frieden,!
Laß die Heerde friedlich wandern,
Voller Ordnung vorwärts schreiten
Durch die Sümpfe, durch die Felder,
Durch des Waldes Flurenstrecken,
Ohne sie nur zu berühren,
Ohne sie nur anzupacken!“
„Denke an die alten Schwüre
An dem jähen Wasserfalle,
Vor den Knie’n des höchsten Schöpfers:
Wurde dir daselbst gestattet
Dreimal in dem Lauf des Sommers
Dem Getön’ der Glock’ zu nahen,
Zu dem Land, wo Glöckchen tönen,
Aber nicht ward dir gestattet,
Nicht gegeben die Erlaubniß,
Böse Handlung zu beginnen,
„Sollt’ dich Bosheit überkommen,
Deine Zähne Lust verspüren,
Wirf die Bosheit in den Laubwald,
Dein Gelüste an die Tannen!
Haue du in faule Bäume,
In der Birken morsche Stämme,
Wende dich an Wasserreiser,
Stoße dich auf Beerenhügel!“
„Hast Verlangen du nach Nahrung,
Friß du Schwämme in dem Walde,
Mach’ dich an der Ameis’ Haufen,
Raffe rother Stengel Wurzeln,
Honigbissen von Metsola,
Nicht das Gras zu meinem Futter,
Nicht das Heu für meine Theuren!“
„Fängt Metsola’s Honigkufe
Schon mit Zischen an zu gähren
Auf den goldbedeckten Hügeln,
Dort ist Speise für den Gier’gen,
Dort auch Trinken für den Durst’gen,
Ohne daß die Nahrung ausgeht
Oder daß der Trank verschwindet.“
„Wollen wir uns so vergleichen,
Ew’gen Frieden also schließen,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_202.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)