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Daß das Boot von Planken laufe,
Daß der Tannennachen eile!“
     Selbst der alte Wäinämöinen
Steuert fort nun durch die Wogen,
Steuerte durch Felsenspalten,
Durch den Schaum voll wilden Brausens,
Hängen blieb dort nicht der Nachen,
Stecken nicht das Boot des Kund’gen.
     Erst als es darauf gekommen

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In die weitgedehnten Wasser,

Blieb das Boot im Laufe stecken,
Blieb der Nachen stehn im Eilen;
Haftet fest auf einer Stelle,
Kann vom Fleck sich nicht bewegen.
     Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Munter mit ihm Lemminkäinen
Stoßen in das Meer das Steuer,
In die Fluth die Fichtenplanke,
Schieben emsig, um zu treiben

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Von der Stelle ihren Nachen;

Doch nicht laufen will der Nachen,
Frei kommt nicht das Boot von Planken.
     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„O du muntrer Lemminkäinen,
Bücke dich um zuzuschauen,
Worauf denn das Boot wohl haftet,
Worauf unser Nachen stecket
In den weitgedehnten Fluthen,

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In den überstillen Tiefen,

Ob auf Klippen oder Zweigen,
Ob auf einer andern Hemmniß.“
     Selbst der muntre Lemminkäinen
Wendet sich um zuzuschauen,
Schauet unterhalb des Bootes,
Redet Worte solcher Weise:
„Sitzet nicht auf einer Klippe,
Einer Klippe, einem Strauche,
Auf der Schulter eines Hechtes,

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Auf des Wasserhundes Hüftbein.“

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Alles findet man im Wasser,
Zweige oder auch wohl Hechte;
Sind wir auf des Hechtes Rücken,
Auf des Wasserhundes Hüftbein,
Fahre mit dem Schwert in’s Wasser,
Schlage du den Fisch in Stücke!“
     Selbst der muntre Lemminkäinen,

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Dieser lebensfrische Bursche,

Zog die Klinge aus dem Gurte,
Von der Hüft’ den Knochenbeißer,
Fuhr in’s Wasser mit der Klinge,
Hieb hinab am Rand des Bootes,
Stürzet selber in das Wasser,
Fährt in’s Meer mit seinen Fäusten.
     Darauf faßt Schmied Ilmarinen
Bei den Haaren diesen Helden,
Hebt den Mann aus Meeresfluthen,

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Redet selber diese Worte:

„Alle sind gemacht zu Männern,
Sind gemacht zu Bartesträgern,
Daß erfüllt ein Hundert werde,
Voll ein Tausend sich gestalte.“
     Zog das Schwert aus seinem Gurte,
Aus der Scheid’ das wilde Eisen,
Daß den Fisch er jetzt zerhaue,
Schlägt hinab zur Seit’ des Bootes;
Doch in Stücke sprang die Klinge,

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Ohne daß der Hecht was merkte.

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Nicht seid ihr des Mannes Hälfte,
Nicht das Drittel eines Helden;
Kommt Bedürfniß nach dem Manne,
Hat des Mannes Sinn man nöthig,
Ist der ganze Sinn bei Schlichten,
Alle Einsicht bei den Andern.“
     Selber zieht er seine Klinge,

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Greift er nach dem scharfen Eisen,

Stößt die Klinge in die Fluthen,
An des Bootes Seit’ zur Tiefe,
In des Hechtes breiten Rücken,
In des Wasserhundes Rippen.

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_236.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)