Fing gar rasch an einzuschlummern,
Sank zum Schlafen dorten nieder,
Auf des bunten Felsens Rücken,
Auf der dicken Klippe Kante.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Gab dort keinen von den Helden,
Keinen von den kräft’gen Männern,
Keinen Mann und keins der Weiber,
Keine Flechtenträgerinnen,
Die er nicht zu Thränen rührte,
Deren Herz er nicht bewegte;
Weinten Junge, weinten Alte,
Weinten unbeweibte Männer,
Helden, die schon längst beweibet,
Wie die Knaben, so die Mädchen,
Ja die allerkleinsten Mädchen,
Da die Töne wunderseltsam
Und des Alten Spiel voll Anmuth.
Selbst des alten Wäinämöinens
Thränendrüsen schwollen kräftig,
Aus den Augen fielen Tropfen,
Wasserperlen rannen nieder,
Größer als des Sumpfes Beeren,
Runder als des Feldhuhns Eier,
Größer als die Schwalbenköpfe.
Aus den Augen tropfte Wasser,
Quoll hervor in reichen Tropfen,
Strömte auf die Backenknochen,
Gleitet auf der Wangen Fläche,
Von der schönen Wangen Fläche
Auf des Kinnes breite Strecke,
Von des Kinnes breiter Strecke
Von des Busens hoher Wölbung
Auf die Knie von großer Stärke,
Von den Knieen großer Stärke
Auf des Fußes hohe Fläche,
Von des Fußes hoher Fläche
Auf den Boden an den Füßen,
Rinnet durch fünf wollne Röcke,
Sechs der goldgestickten Gürtel,
Ja, durch sieben blaue Hemde
Rannen so die Wassertropfen
Von dem alten Wäinämöinen
Zu dem Strand des blauen Meeres,
Von dem Strand des blauen Meeres
In des klaren Wassers Tiefe,
Auf des schwarzen Schlammes Masse.
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:
„Ist in diesen Jünglingshaufen,
In dem ausgedehnten Stamme,
Von des Vaters Söhnen einer,
Der nun meine Thränen sammelt
Aus der klaren Fluthen Tiefe?“
Also sprachen da die Jungen,
Antwort gaben so die Alten:
„Nicht ist in dem Jünglingshaufen,
In den schönen Jugendschaaren,
In dem ausgedehnten Stamme
Der jetzt deine Thränen sammelt
Aus des klaren Wassers Tiefe.“
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte dieser Weise:
„Wer mir meine Thränen brächte,
Wer die Wassertropfen sammelt
Aus der klaren Fluthen Tiefe,
Wird ein Federkleid erhalten.“
Kam der Rabe angekrächzet;
„Hol’, o Rabe, meine Thränen
Aus der klaren Fluthen Tiefe!
Werd’ ein Federkleid dir geben.“
Nicht erhascht der Rab’ die Thränen.
Hörte das die blaue Ente,
Kam herbei die blaue Ente;
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Oftmals tauchst du, blaue Ente,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_242.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)