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     „Gehe, Goldner, um zu wandern,

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Lieber, auf dem Land zu schreiten,

Schwarzstrumpf, wandre du nun vorwärts,
Gehe mit den tuchnen Hosen,
Auf dem Pfade von der Meise,
Auf dem Weg des muntern Sperlings,
Unter fünf der glattsten Sparren,
Unter sechs der stärksten Balken!“
     „Schaut euch vor, ihr armen Weiber,
Daß die Heerde nicht erschrecke,
Daß dem kleinen Vieh nicht bange,

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Nicht der Wirthin Thiere leiden,

Wenn der Bär zur Stube kommet,
Er, der Haarbedeckte, eindringt!“
     „Fort, o Knaben, aus dem Vorhaus,
Mädchen von des Eingangs Pforten,
Da der Held zur Stube kommet,
Da der Männer Zier erscheinet!“
     „Otso, du des Waldes Apfel,
Runde Zierde in dem Walde,
Fürchte dich nicht vor den Mädchen,

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Scheu dich nicht vor Schöngelockten,

Hab’ nicht Furcht vor diesen Weibern,
Vor den Strumpfesträgerinnen!
Soviel Weiber in der Stube,
Eilen alle zum Verschlage,
Wenn zur Stube Männer kommen,
Wenn der stolze Knabe schreitet!“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Gieb, o Gott, auch hieher Wohlsein
Unter diesen schönen Balken,

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In der schöngeschmückten Wohnung!

Wohin soll ich meinen Liebling,
Wohin den behaarten führen?“
     Antwort gaben so die Leute:
„Sei gegrüßt bei deiner Ankunft!
Dahin lasse du dein Vöglein,
Laß den Goldenen du gehen,
Zu der Tannenleiste Spitze,
Zu des Ofenrückens Kante,
Daß den Pelz er schauen lasse,

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Seine Haare uns betrachten!“

     „Mach dir, Otso, keine Sorge,
Werde deshalb nimmer böse,
Daß die Pelzbeschauung kommet,
Daß die Zeit, dein Haar zu sehen;
Nicht wird man den Pelz verletzen,
Nicht die Haare dir betrachten
Zu der Kleidung schlechter Männer,
Zu dem Rock der Unglücksel’gen.“
     Zog der alte Wäinämöinen

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Drauf den Pelz herab vom Bären,

That ihn auf des Bodens Ende,
Legt das Fleisch dann in den Kessel,
Ins Gefäß von starkem Kupfer,
Auf des Grapens Kupferboden.
     Auf dem Feuer stand der Grapen,
Auf den Flammen schon der Kessel,
Vollgepropft und angefüllet
Von des Fleisches reichen Stücken,
Mit dem Salze in der Masse,

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Das von Fern herbeigeschaffet,

Aus der Sachsen Land geholet
Vom Gewässer ob der Dwina,
Durch den Salzsund durchgerudert,
Von dem Schiffe ausgeladen.
     Als das Fleisch darauf gekochet,
Von dem Feuer kam der Kessel,
Ward die Beute aufgetragen,
Ward das Vöglein hingeschaffet
Zu des langen Tisches Ende

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Zu den goldgeschmückten Schüsseln,

Um den Honig einzuschlürfen,
Um das Bier dort zu empfangen.
     Tannenhölzern war die Tafel,
Kupfer war der Schüssel Masse,
Ganz von Silber alle Löffel,
Messer dort aus Gold gebildet;
Alle Schalen bis zum Gipfel,
Alle Ränder von den Schüsseln
Trugen dort des Waldes Zierde,

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Von dem Gold des Waldes Stücke.

     Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_269.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)