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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Kandide hörte aufmerksam zu, und fasste von diesem Kritiker eine grosse Meinung; und da die Marquise ihm neben sich einen Plaz zu geben die Güte gehabt hatte, so nam er sich die Freiheit ihr die Frag’ in’s Ohr zu flistern: wer der so gesund urtheilende Mann wäre?

Ein Gelehrter, sagte die Dame, der nicht pointirt und den der Abee manchmal zum Abendbrod herbringt; ein grosser Kenner von Trauerspielen und Büchern. Er hat eine ausgepfifne Tragödie gemacht, und ein Buch, davon nie ein anders Exemplar aus seines Verlegers Laden gekommen ist, als das, so er mir dedizirt hat.

Ein grosser Mann sagte Kandide! ein andrer Panglos! Hierauf wandt’ er sich folgendermaassen an ihn: Vermutlich glauben Sie doch auch, mein Herr, daß in der physischen Welt sowohl als in der moralischen alles auf’s Beste eingerichtet ist, und daß nichts einen andern Gang nemen kann?

Nichts weniger denn meine Meinung, antwortete der Gelehrte. Ich finde vielmehr, daß bei uns alles der Quere geht, daß niemand weis, was seines Rangs, seines Amts ist, noch was er thut, noch was er thun soll: und nem’ ich die Supees aus, wobei noch immer Fröhlichkeit herrscht und auch ziemlich viel Eintracht, so bringen

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_138.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)