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72 Elementarl. II. Th. I. Abth. I.Buch. I. Hauptst. 72

werden, wenn sie gleich in der allgemeinen Logik ienen mit Recht beygezählt sind, und kein besonderes Glied der Eintheilung ausmachen. Diese nemlich abstrahirt von allem Inhalt des Prädicats (ob es gleich verneinend ist) und sieht nur darauf, ob dasselbe dem Subiect beygelegt, oder ihm entgegen gesezt werde. Jene aber betrachtet das Urtheil auch nach dem Werthe oder Inhalt dieser logischen Beiahung vermittelst eines blos verneinenden Prädicats, und was diese in Ansehung des gesamten Erkentnisses für einen Gewinn verschaft. Hätte ich von der Seele gesagt, sie ist nicht sterblich, so hätte ich durch ein verneinendes Urtheil wenigstens einen Irrthum abgehalten. Nun habe ich durch den Satz: die Seele ist nicht sterblich, zwar der logischen Form nach wirklich beiahet, indem ich die Seele in den unbeschränkten Umfang der Nichtsterbenden Wesen setze. Weil nun von dem ganzen Umfange möglicher Wesen das Sterbliche einen Theil enthält, das Nichtsterbliche aber den andern, so ist durch meinen Satz nichts anders gesagt, als daß die Seele eine von der unendlichen Menge Dinge sey, die übrig bleiben, wenn ich das sterbliche insgesamt wegnehme. Dadurch aber wird nur die unendliche Sphäre alles Möglichen in so weit beschränkt, daß das Sterbliche davon abgetrent, und in dem übrigen Raum ihres Umfangs die Seele gesezt wird. Dieser Raum bleibt aber bey dieser Ausnahme noch immer unendlich, und können noch mehrere Theile desselben weggenommen werden, ohne daß darum der Begriff von der

Seele
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 072. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_072.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)