166 | Elementarl. II. Th. I. Abth. II.Buch. II. Hauptst. |
der Erscheinung, mithin iede äussere Erfahrung, folglich auch alle Erkentniß der Gegenstände derselben, möglich macht, und was die Mathematik im reinen Gebrauch von iener beweiset, das gilt auch nothwendig von dieser. Alle Einwürfe dawider sind nur Chikanen einer falsch belehrten Vernunft, die irriger Weise die Gegenstände der Sinne von der formalen Bedingung unserer Sinnlichkeit loszumachen gedenkt, und sie, obgleich sie blos Erscheinungen sind, als Gegenstände an sich selbst, dem Verstande gegeben, vorstellt, in welchem Falle freilich von ihnen a priori gar nichts, mithin auch nicht durch reine Begriffe vom Raume, synthetisch erkant werden könte und die Wissenschaft, die diese bestimt, nemlich die Geometrie selbst nicht möglich seyn würde.
Der Grundsatz, welcher alle Wahrnehmungen, als solche, anticipirt, heißt so: In allen Erscheinungen hat die Empfindung, und das Reale, welches ihr an dem Gegenstande entspricht, (realitas phaenomenon) eine intensive Grösse, d. i. einen Grad.
Man kan alle Erkentniß, wodurch ich dasienige, was zur empirischen Erkentniß gehört, a priori erkennen und bestimmen kan, eine Anticipation nennen, und ohne Zweifel ist das die Bedeutung, in welcher Epicur seinen
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_166.png&oldid=- (Version vom 14.5.2018)