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257 III. Hauptst. Von dem Grunde d. Untersch. etc. 257

ganz abweicht, und wobey es freylich keine Schwierigkeit hat, aber auch nichts, als leere Wortkrämerey angetroffen wird. Nach demselben hat es einigen beliebt, den Inbegriff der Erscheinungen, so fern er angeschaut wird, die Sinnenwelt, so fern aber der Zusammenhang derselben nach allgemeinen Verstandesgesetzen gedacht wird, die Verstandeswelt zu nennen. Die theoretische Astronomie, welche die blosse Beobachtung des bestirnten Himmels vorträgt, würde die erstere, die contemplative dagegen, (etwa nach dem copernicanischen Weltsystem, oder gar nach Newtons Gravitationsgesetzen erklärt) die zweite, nemlich eine intelligibele Welt vorstellig machen. Aber eine solche Wortverdrehung ist eine blosse sophistische Ausflucht, um einer beschwerlichen Frage auszuweichen, dadurch, daß man ihren Sinn zu seiner Gemächlichkeit herabstimmt. In Ansehung der Erscheinungen läßt sich allerdings Verstand und Vernunft brauchen, aber es frägt sich, ob diese auch noch einigen Gebrauch haben, wenn der Gegenstand nicht Erscheinung (Noümenon) ist, und in diesem Sinne nimt man ihn, wenn er an sich als blos intelligibel, d. i. dem Verstande allein, und gar nicht den Sinnen gegeben, gedacht wird. Es ist also die Frage: ob ausser ienem empirischen Gebrauche des Verstandes (selbst in der Newtonischen Vorstellung des Weltbaues) noch ein transscendentaler möglich sey, der auf das Noumenon als einen Gegenstand gehe, welche Frage wir verneinend beantwortet haben.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_257.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)