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339 Von den dialect. Schlüssen d. r. Vernunft. 339

werden kan. Besser würde man sich doch, und mit weniger Gefahr des Mißverständnisses ausdrücken, wenn man sagte: daß wir vom Obiect, welches einer Idee correspondirt, keine Kentniß, obzwar einen problematischen Begriff haben können.

 Nun beruhet wenigstens die transscendentale (subiective) Realität der reinen Vernunftbegriffe darauf: daß wir durch einen nothwendigen Vernunftschluß auf solche Ideen gebracht werden. Also wird es Vernunftschlüsse geben, die keine empirische Prämissen enthalten und vermittelst deren wir von etwas, das wir kennen, auf etwas anderes schliessen, wovon wir doch keinen Begriff haben und dem wir gleichwol, durch einen unvermeidlichen Schein, obiective Realität geben. Dergleichen Schlüsse sind in Ansehung ihres Resultats also eher vernünftelnde, als Vernunftschlüsse zu nennen; wiewol sie, ihrer Veranlassung wegen, wol den lezteren Namen führen können, weil sie doch nicht erdichtet, oder zufällig entstanden, sondern aus der Natur der Vernunft entsprungen sind. Es sind Sophisticationen, nicht der Menschen, sondern der reinen Vernunft selbst, von denen selbst der Weiseste unter allen Menschen sich nicht losmachen, und vielleicht zwar nach vieler Bemühung den Irrthum verhüten, den Schein aber, der ihn unaufhörlich zwakt und äfft, niemals völlig los werden kan.

 Dieser dialectischen Vernunftschlüsse giebt es also nur dreierley Arten, so vielfach, als die Ideen sind, auf

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Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_339.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)