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407 II. Hauptst. Die Antinomie d. r. Vernunft. 407

wo sie ihr Principium der unbedingten Einheit zwar mit vielem Scheine geltend zu machen denkt, sich aber bald in solche Widersprüche verwickelt, daß sie genöthigt wird, in cosmologischer Absicht, von ihrer Foderung abzustehen.

 Hier zeigt sich nemlich ein neues Phänomen der menschlichen Vernunft, nemlich: eine ganz natürliche Antithetik, auf die keiner zu grübeln und künstlich Schlingen zu legen braucht, sondern in welche die Vernunft von selbst und zwar unvermeidlich geräth, und dadurch zwar vor den Schlummer einer eingebildeten Ueberzeugung, den ein blos einseitiger Schein hervorbringt, verwahrt, aber zugleich in Versuchung gebracht wird, sich entweder einer sceptischen Hoffnungslosigkeit zu überlassen, oder einen dogmatischen Trotz anzunehmen und den Kopf steif auf gewisse Behauptungen zu setzen, ohne den Gründen des Gegentheils Gehör und Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Beides ist der Tod einer gesunden Philosophie, wiewol iener allenfals noch die Euthanasie der reinen Vernunft genant werden könte.

 Ehe wir die Auftritte des Zwiespalts und der Zerrüttungen sehen lassen, welche dieser Widerstreit der Gesetze (Antinomie) der reinen Vernunft veranlaßt, wollen wir gewisse Erörterungen geben, welche die Methode erläutern und rechtfertigen können, deren wir uns in Behandlung unseres Gegenstandes bedienen. Ich nenne alle transscendentale Ideen, so fern sie die absolute Totalität in der Synthesis der Erscheinungen betreffen, Weltbegriffe,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_407.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)