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468 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 468

 Auf der Seite des Empirismus in Bestimmung der cosmologischen Ideen, oder der Antithesis

 findet sich erstlich, kein solches practisches Interesse aus reinen Principien der Vernunft, als Moral und Religion bey sich führen. Vielmehr scheinet der blosse Empirism beiden alle Kraft und Einfluß zu benehmen. Wenn es kein von der Welt unterschiedenes Urwesen giebt, wenn die Welt ohne Anfang und also auch ohne Urheber, unser Wille nicht frey und die Seele von gleicher Theilbarkeit und Verweslichkeit mit der Materie ist, so verliehren auch die moralische Ideen und Grundsätze alle Gültigkeit, und fallen mit den transscendentalen Ideen, welche ihre theoretische Stütze ausmachten.

 Dagegen bietet aber der Empirism dem speculativen Interesse der Vernunft Vortheile an, die sehr anlockend seyn und dieienige weit übertreffen, die der dogmatische Lehrer der Vernunftideen versprechen mag. Nach ienem ist der Verstand iederzeit auf seinem eigenthümlichen Boden, nemlich dem Felde von lauter möglichen Erfahrungen, deren Gesetze er nachspühren und vermittelst derselben er seine sichere und faßliche Erkentniß ohne Ende erweitern kan. Hier kan und soll er den Gegenstand, so wol an sich selbst, als in seinen Verhältnissen, der Anschauung darstellen, oder doch in Begriffen, deren Bild in gegebenen ähnlichen Anschauungen klar und deutlich vorgelegt werden kan. Nicht allein, daß er nicht nöthig hat, diese Kette der Naturordnung zu verlassen, um sich

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_468.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)