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475 III. Absch. Von dem Interesse der Vernunft etc. 475

Daher führt das architectonische Interesse der Vernunft (welches nicht empirische, sondern reine Vernunfteinheit a priori fodert) eine natürliche Empfehlung vor die Behauptungen der Thesis bey sich.

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 Könte sich aber ein Mensch von allem Interesse lossagen, und die Behauptungen der Vernunft, gleichgültig gegen alle Folgen, blos nach dem Gehalte ihrer Gründe in Betrachtung ziehen: so würde ein solcher, gesezt daß er keinen Ausweg wüßte, anders aus dem Gedränge zu kommen, als daß er sich zu einer, oder andern der strittigen Lehren bekennete, in einem unaufhörlich schwankenden Zustande seyn. Heute würde es ihm überzeugend vorkommen: der menschliche Wille sey frey; Morgen, wenn er die unauflösliche Naturkette in Betrachtung zöge, würde er davor halten: die Freiheit sey nichts als Selbsttäuschung und alles sey blos Natur. Wenn es nun aber zum Thun und Handeln käme, so würde dieses Spiel der blos speculativen Vernunft, wie Schattenbilder eines Traums, verschwinden und er würde seine Principien blos nach dem practischen Interesse wählen. Weil es aber doch einem nachdenkenden und forschenden Wesen anständig ist, gewisse Zeiten lediglich der Prüfung seiner eigenen Vernunft zu widmen, hiebey aber alle Partheylichkeit gänzlich auszuziehen, und so seine Bemerkungen anderen zur Beurtheilung öffentlich mitzutheilen: so kan es niemanden verargt, noch weniger verwehrt werden, die Sätze und

Gegen-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_475.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)