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537 IX. Absch. Vom empir. Gebrauche des regul. etc. 537

Erscheinungen vor nichts mehr gelten, als sie in der That sind, nemlich nicht vor Dinge an sich, sondern blosse Vorstellungen, die nach empirischen Gesetzen zusammenhängen, so müssen sie selbst noch Gründe haben, die nicht Erscheinungen sind. Eine solche intelligibele Ursache aber wird in Ansehung ihrer Caussalität nicht durch Erscheinungen bestimt, obzwar ihre Wirkungen erscheinen, und so durch andere Erscheinungen bestimt werden können. Sie ist also samt ihrer Caussalität ausser der Reihe; dagegen ihre Wirkungen in der Reihe der empirischen Bedingungen angetroffen werden. Die Wirkung kan also in Ansehung ihrer intelligibelen Ursache als frey und doch zugleich in Ansehung der Erscheinungen, als Erfolg aus denselben nach der Nothwendigkeit der Natur angesehen werden; eine Unterscheidung, die, wenn sie im Allgemeinen und ganz abstract vorgetragen wird, äusserst subtil und dunkel scheinen muß, die sich aber in der Anwendung aufklären wird. Hier habe ich nur die Anmerkung machen wollen: daß, da der durchgängige Zusammenhang aller Erscheinungen, in einem Context der Natur, ein unnachlaßliches Gesetz ist, dieses alle Freiheit nothwendig umstürzen müßte, wenn man der Realität der Erscheinungen hartnäckigt anhängen wolte. Daher auch dieienige, welche hierin der gemeinen Meinung folgen, niemals dahin haben gelangen können, Natur und Freiheit mit einander zu vereinigen.


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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_537.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)