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612 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 612

Gleichen, weil der allgemeine Begriff dasselbe zugleich als ein Individuum unter allen möglichen Dingen auszeichnet. Er thut aber der Frage wegen seines eigenen Daseyns gar kein Gnüge, als warum es doch eigentlich nur zu thun war, und man konte auf die Erkundigung dessen, der das Daseyn eines nothwendigen Wesens annahm und wissen wolte, welches denn unter allen Dingen davor angesehen werden müsse, nicht antworten: Dies hier ist das nothwendige Wesen.

 Es mag wol erlaubt seyn, das Daseyn eines Wesens von der höchsten Zulänglichkeit, als Ursache zu allen möglichen Wirkungen, anzunehmen, um der Vernunft die Einheit der Erklärungsgründe, welche sie sucht, zu erleichteren. Allein, sich so viel herauszunehmen: daß man so gar sage: ein solches Wesen existirt nothwendig, ist nicht mehr die bescheidene Aeusserung einer erlaubten Hypothese, sondern die dreuste Anmassung einer apodictischen Gewißheit; denn, was man als schlechthinnothwendig zu erkennen vorgiebt, davon muß auch die Erkentniß absolute Nothwendigkeit bey sich führen.

 Die ganze Aufgabe des transscendentalen Ideals komt darauf an: entweder zu der absoluten Nothwendigkeit einen Begriff, oder zu dem Begriffe von irgend einem Dinge die absolute Nothwendigkeit desselben zu finden. Kan man das eine, so muß man auch das andere können; denn als schlechthinnothwendig erkent die Vernunft nur dasienige, was aus seinem Begriffe nothwendig ist. Aber beides

des
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_612.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)