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617 V. Absch. Unmöglichkeit eines cosmol. Beweises etc. 617

einzige Bestimmung, die die Existenz der Dinge betrift, vor einen solchen obersten Grund, d. i. als absolutnothwendig, anzunehmen, sondern euch noch immer den Weg zur ferneren Ableitung offen zu erhalten und sie daher iederzeit noch als bedingt zu behandeln. Wenn aber vor uns alles, was an den Dingen wahrgenommen wird, als bedingtnothwendig betrachtet werden muß: so kan auch kein Ding (das empirisch gegeben seyn mag) als absolutnothwendig angesehen werden.

 Es folgt aber hieraus: daß ihr das Absolutnothwendige ausserhalb der Welt annehmen müßt; weil es nur zu einem Princip der größtmöglichen Einheit der Erscheinungen, als deren oberster Grund, dienen soll und ihr in der Welt niemals dahin gelangen könt, weil die zweite Regel euch gebietet, alle empirische Ursachen der Einheit iederzeit als abgeleitet anzusehen.

 Die Philosophen des Alterthums sahen alle Form der Natur als zufällig, die Materie aber, nach dem Urtheile der gemeinen Vernunft, als ursprünglich und nothwendig an. Würden sie aber die Materie nicht als Substratum der Erscheinungen respectiv, sondern an sich selbst ihrem Daseyn nach betrachtet haben, so wäre die Idee der absoluten Nothwendigkeit so gleich verschwunden. Denn es ist nichts, was die Vernunft an dieses Daseyn schlechthin bindet, sondern sie kan solches, iederzeit und ohne Widerstreit, in Gedanken aufheben; in Gedanken aber lag auch allein die absolute Nothwendigkeit.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 617. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_617.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)