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637 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 637

aber auch den Sprung über die Gränze der Erfahrung hinaus, vermittelst des dynamischen Gesetzes der Beziehung der Wirkungen auf ihre Ursachen: welchen Begriff kan uns dieses Verfahren verschaffen? bey weitem keinen Begriff von einem höchsten Wesen, weil uns Erfahrung niemals die größte aller möglichen Wirkungen (als welche das Zeugniß von ihrer Ursache ablegen soll), darreicht. Soll es uns erlaubt seyn, blos, um in unserer Vernunft nichts Leeres übrig zu lassen, diesen Mangel der völligen Bestimmung durch eine blosse Idee der höchsten Vollkommenheit und ursprünglichen Nothwendigkeit auszufüllen: so kan dieses zwar aus Gunst eingeräumt, aber nicht aus dem Rechte eines unwiderstehlichen Beweises gefodert werden. Der physischtheologische Beweis könte also vielleicht wol anderen Beweisen (wenn solche zu haben sind) Nachdruck geben, indem er Speculation mit Anschauung verknüpft: vor sich selbst aber bereitet er mehr den Verstand zur theologischen Erkentniß vor und giebt ihm dazu eine gerade und natürliche Richtung, als daß er allein das Geschäfte vollenden könte.

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 Man sieht also hieraus wol: daß transscendentale Fragen nur transscendentale Antworten, d. i. aus lauter Begriffen a priori ohne die mindeste empirische Beimischung erlauben. Die Frage ist hier aber offenbar synthetisch und verlangt eine Erweiterung unserer Erkentniß über alle Gränzen der Erfahrung hinaus, nemlich zu dem Daseyn eines Wesens, was unserer blossen Idee entsprechen

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 637. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_637.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)