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655 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 655

an der sehr verschiedenen Denkungsart der Naturforscher, deren einige (die vorzüglich speculativ sind), der Ungleichartigkeit gleichsam feind, immer auf die Einheit der Gattung hinaussehen, die andere (vorzüglich empirische Köpfe) die Natur unaufhörlich in so viel Mannigfaltigkeit zu spalten suchen, daß man beinahe die Hoffnung aufgeben müßte, ihre Erscheinungen nach allgemeinen Principien zu beurtheilen.

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 Dieser lezteren Denkungsart liegt offenbar auch ein logisches Princip zum Grunde, welches die systematische Vollständigkeit aller Erkentnisse zur Absicht hat, wenn ich, von der Gattung anhebend, zu dem Mannigfaltigen, das darunter enthalten seyn mag, herabsteige, und auf solche Weise dem System Ausbreitung, wie im ersteren Falle, da ich zur Gattung aufsteige, Einfalt zu verschaffen suche. Denn aus der Sphäre des Begriffs, der eine Gattung bezeichnet, ist eben so wenig, wie aus dem Raume, den Materie einnehmen kan, zu ersehen, wie weit die Theilung derselben gehen könne. Daher iede Gattung verschiedene Arten, diese aber verschiedene Unterarten erfodert und, da keine der lezteren statt findet, die nicht immer wiederum eine Sphäre (Umfang als conceptus communis) hätte, so verlangt die Vernunft in ihrer ganzen Erweiterung, daß keine Art als die unterste an sich selbst angesehen werde, weil, da sie doch immer ein Begriff ist, der nur das, was verschiedenen Dingen gemein ist, in sich enthält, dieser nicht durchgängig bestimt, mithin auch nicht

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_655.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)