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688 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 688

angetroffen werde, wodurch wir, in einem solchen Falle, nur eine Einheit mehr vermissen, aber nicht die Vernunfteinheit in ihrem empirischen Gebrauche verderben. Aber so gar dieser Querstrich kan das Gesetz selbst in allgemeiner und teleologischer Absicht überhaupt nicht treffen. Denn, ob zwar ein Zergliederer eines Irrthumes überführt werden kan, wenn er irgend ein Gliedmaas eines thierischen Cörpers auf einen Zweck bezieht, von welchem man deutlich zeigen kan, daß er daraus nicht erfolge: so ist es doch gänzlich unmöglich, in einem Falle zu beweisen, daß eine Natureinrichtung, es mag seyn welche da wolle, ganz und gar keinen Zweck habe. Daher erweitert auch die Physiologie (der Aerzte) ihre sehr eingeschränkte empirische Kentniß von den Zwecken des Gliederbaues eines organischen Cörpers durch einen Grundsatz, welchen blos reine Vernunft eingab, so weit, daß man darin ganz dreust und zugleich mit aller Verständigen Einstimmung annimt, es habe alles an dem Thiere seinen Nutzen und gute Absicht, welche Voraussetzung, wenn sie constitutiv seyn solte, viel weiter geht, als uns bisherige Beobachtung berechtigen kan, woraus denn zu ersehen ist: daß sie nichts als ein regulatives Princip der Vernunft sey, um zur höchsten systematischen Einheit, vermittelst der Idee der zweckmässigen Caussalität der obersten Weltursache und, als ob diese, als höchste Intelligenz nach der weisesten Absicht die Ursache von allem sey, zu gelangen.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_688.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)