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709 Die Disciplin der reinen Vernunft im dogm. etc. 709

an und es bedarf beinahe einer Apologie, um ihnen nur Duldung und noch mehr, um ihnen Gunst und Hochschätzung zu verschaffen.

 Man kan zwar logisch alle Sätze, die man will, negativ ausdrücken, in Ansehung des Inhalts aber unserer Erkentniß überhaupt, ob sie durch ein Urtheil erweitert, oder beschränkt wird, haben die verneinende das eigenthümliche Geschäfte, lediglich den Irrthum abzuhalten. Daher auch negative Sätze, welche eine falsche Erkentniß abhalten sollen, wo doch niemals ein Irrthum möglich ist, zwar sehr wahr, aber doch leer, d. i. ihrem Zwecke gar nicht angemessen und eben darum oft lächerlich seyn. Wie der Satz ienes Schulredners: daß Alexander, ohne Kriegsheer, keine Länder hätte erobern können.

 Wo aber die Schranken unserer möglichen Erkentniß sehr enge, der Anreitz zum Urtheilen groß, der Schein, der sich darbietet, sehr betrüglich und der Nachtheil aus dem Irrthum erheblich ist, da hat das Negative der Unterweisung, welches blos dazu dient, um uns vor Irrthümer zu verwahren, noch mehr Wichtigkeit, als manche positive Belehrung, dadurch unser Erkentniß Zuwachs bekommen könte. Man nennet den Zwang, wodurch der beständige Hang von gewissen Regeln abzuweichen, eingeschränkt und endlich vertilget wird, die Disciplin. Sie ist von der Cultur unterschieden, welche blos eine Fertigkeit verschaffen soll, ohne eine andere, schon vorhandene, dagegen aufzuheben. Zu der Bildung eines Talents,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_709.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)