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835 Die Disciplin der reinen Vernunft im dogm. etc. 835

a priori erwägen kan, wobei ieder Fehltritt sichtbar wird. Ich möchte die erstern daher lieber acroamatische (discursive) Beweise nennen, weil sie sich nur durch lauter Worte (den Gegenstand in Gedanken) führen lassen, als Demonstrationen, welche, wie der Ausdruck es schon anzeigt, in der Anschauung des Gegenstandes fortgehen.

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 Aus allem diesem folgt nun: daß es sich vor die Natur der Philosophie gar nicht schicke, vornemlich im Felde der reinen Vernunft, mit einem dogmatischen Gange zu strotzen und sich mit den Titeln und Bändern der Mathematik auszuschmücken, in deren Orden sie doch nicht gehöret, ob sie zwar auf schwesterliche Vereinigung mit derselben zu hoffen alle Ursache hat. Jene sind eitele Anmassungen, die niemals gelingen können, vielmehr ihre Absicht rückgängig machen müssen, die Blendwerke einer ihre Grenzen verkennenden Vernunft zu entdecken und, vermittelst hinreichender Aufklärung unserer Begriffe, den Eigendünkel der Speculation auf das bescheidene, aber gründliche Selbsterkentniß zurückzuführen. Die Vernunft wird also in ihren transscendentalen Versuchen nicht so zuversichtlich vor sich hinsehen können, gleich als wenn der Weg, den sie zurückgelegt hat, so ganz gerade zum Ziele führe und auf ihre zum Grunde gelegte Prämissen nicht so muthig rechnen können, daß es nicht nöthig wäre, öfters zurück zu sehen und Acht zu haben, ob sich nicht etwa im Fortgange der Schlüsse Fehler entdecken, die in den Principien

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 735. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_735.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)