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739 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 739

ia sogar sein veto, ohne Zurückhalten muß äussern können.

 Ob nun aber gleich die Vernunft sich der Critik niemals verweigern kan, so hat sie doch nicht iederzeit Ursache, sie zu scheuen. Aber die reine Vernunft in ihrem dogmatischen (nicht mathematischen) Gebrauche ist sich nicht so sehr der genauesten Beobachtung ihrer obersten Gesetze bewust, daß sie nicht mit Blödigkeit, ia mit gänzlicher Ablegung alles angemaßten dogmatischen Ansehens, vor dem critischen Auge einer höheren und richterlichen Vernunft erscheinen müßte.

 Ganz anders ist es bewandt, wenn sie es nicht mit der Censur des Richters, sondern den Ansprüchen ihres Mitbürgers zu thun hat und sich dagegen blos vertheidigen soll. Denn, da diese eben sowol dogmatisch seyn wollen, obzwar im Verneinen, als iene im Beiahen: so findet eine Rechtfertigung κατ’ ἀνθρωπον statt, die wider alle Beeinträchtigung sichert und einen titulirten Besitz verschaft, der keine fremde Anmassungen scheuen darf, ob er gleich selbst κατ’ αληθειαν nicht hinreichend bewiesen werden kan.

 Unter dem polemischen Gebrauche der reinen Vernunft verstehe ich nun die Vertheidigung ihrer Sätze gegen die dogmatische Verneinungen derselben. Hier komt es nun nicht darauf an, ob ihre Behauptungen nicht vielleicht auch falsch seyn möchten, sondern nur, daß niemand das Gegentheil iemals mit apodictischer Gewißheit (ia auch

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 739. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_739.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)