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742 Methodenlehre I. Hauptst. II. Absch. 742

erfinden. Vielmehr bin ich gewiß, daß dieses niemals geschehen werde. Denn, wo will die Vernunft den Grund zu solchen synthetischen Behauptungen, die sich nicht auf Gegenstände der Erfahrung und deren innerer Möglichkeit beziehen, hernehmen? Aber es ist auch apodictisch gewiß, daß niemals irgend ein Mensch auftreten werde, der das Gegentheil mit dem mindesten Scheine, geschweige dogmatisch behaupten könne. Denn, weil er dieses doch blos durch reine Vernunft darthun könte, so müßte er es unternehmen, zu beweisen: daß ein höchstes Wesen, daß das in uns denkende Subiect, als reine Intelligenz, unmöglich sey. Wo will er aber die Kentnisse hernehmen, die ihn, von Dingen über alle mögliche Erfahrung hinaus so synthetisch zu urtheilen, berechtigen. Wir können also darüber ganz unbekümmert seyn: daß uns iemand das Gegentheil einstens beweisen werde, daß wir darum eben nicht nöthig haben, auf schulgerechte Beweise zu sinnen, sondern immerhin dieienigen Sätze annehmen können, welche mit dem speculativen Interesse unserer Vernunft im empirischen Gebrauch ganz wol zusammenhängen und überdem, es mit dem practischen Interesse zu vereinigen die einzige Mittel sind. Vor den Gegner (der hier nicht blos als Critiker betrachtet werden muß), haben wir unser non liquet in Bereitschaft, welches ihn unfehlbar verwirren muß, indessen daß wir die Retorsion desselben auf uns nicht weigeren, indem wir die subiective Maxime der Vernunft beständig im Rückhalte

haben,
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 742. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_742.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)