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819 Vom Ideal des höchsten Guts. 819

wir gar keinen Begriff haben würden, wenn wir ihn nicht ienen Gesetzen gemäß gebildet hätten. Wir werden, so weit practische Vernunft uns zu führen das Recht hat, Handlungen nicht darum vor verbindlich halten, weil sie Gebote Gottes sind, sondern sie als göttliche Gebote ansehen, darum, weil wir dazu innerlich verbindlich seyn. Wir werden die Freiheit, unter der zweckmässigen Einheit nach Principien der Vernunft, studiren, und nur so fern glauben, dem göttlichen Willen gemäß zu seyn, als wir das Sittengesetz, welches uns die Vernunft aus der Natur der Handlungen selbst lehrt, heilig halten, ihm dadurch allein zu dienen glauben, daß wir das Weltbeste an uns und an andern befördern. Die Moraltheologie ist also nur von immanentem Gebrauche, nemlich unsere Bestimmung hier in der Welt zu erfüllen, indem wir in das System aller Zwecke passen und nicht schwärmerisch, oder wol gar frevelhaft den Leitfaden einer moralischgesetzgebenden Vernunft im guten Lebenswandel zu verlassen, um ihn unmittelbar an die Idee des höchsten Wesens zu knüpfen, welches einen transscendenten Gebrauch geben würde, aber eben so, wie der, der blossen Speculation, die lezte Zwecke der Vernunft verkehren und vereiteln muß.




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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 819. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_819.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)