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823 Vom Meinen, Wissen und Glauben. 823

sondern alles a priori erkant werden soll, wo alles nothwendig ist, so erfodert das Princip der Verknüpfung Allgemeinheit und Nothwendigkeit, mithin völlige Gewißheit, widrigenfals gar keine Leitung auf Wahrheit angetroffen wird. Daher ist es ungereimt, in der reinen Mathematik zu meinen, man muß wissen, oder sich alles Urtheilens enthalten. Eben so ist es mit den Grundsätzen der Sittlichkeit bewandt, da man nicht auf blosse Meinung, daß etwas erlaubt sey, eine Handlung wagen darf, sondern dieses wissen muß.

 Im transscendentalen Gebrauche der Vernunft ist dagegen Meinen freilich zu wenig, aber Wissen auch zu viel. In blos speculativer Absicht können wir also hier gar nicht urtheilen; weil subiective Gründe des Vorwahrhaltens, wie die, so das Glauben bewirken können, bey speculativen Fragen keinen Beifall verdienen, da sie sich frey von aller empirischen Beihülfe nicht halten, noch in gleichem Maasse andern mittheilen lassen.

 Es kan aber überall blos in practischer Beziehung das theoretisch unzureichende Vorwahrhalten Glauben genant werden. Diese practische Absicht ist nun entweder die der Geschicklichkeit, oder der Sittlichkeit, die erste zu beliebigen und zufälligen, die zweite aber zu schlechthin nothwendigen Zwecken.

 Wenn einmal ein Zweck vorgesezt ist, so sind die Bedingungen der Erreichung desselben hypothetischnothwendig. Diese Nothwendigkeit ist subiectiv, aber doch nur

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 823. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_823.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)