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829 Vom Meinen, Wissen und Glauben. 829

Leben sey; denn, wenn er das weis, so ist er gerade der Mann, den ich längst gesucht habe. Alles Wissen, (wenn es einen Gegenstand der blossen Vernunft betrift) kan man mittheilen, und ich würde also auch hoffen können, durch seine Belehrung mein Wissen in so bewundrungswürdigem Maasse ausgedehnt zu sehen. Nein, die Ueberzeugung ist nicht logische, sondern moralische Gewißheit und, da sie auf subiectiven Gründen (der moralischen Gesinnung) beruht, so muß ich nicht einmal sagen: es ist moralisch gewiß, daß ein Gott sey etc. sondern, ich bin moralischgewiß etc. Das heißt: der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner moralischen Gesinnung so verwebt, daß, so wenig ich Gefahr laufe, die erstere einzubüssen, eben so wenig besorge ich, daß mir der zweite iemals entrissen werden könne.

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 Das einzige Bedenkliche, das sich hiebey findet, ist, daß sich dieser Vernunftglaube auf die Voraussetzung moralischer Gesinnungen gründet. Gehn wir davon ab und nehmen einen, der in Ansehung sittlicher Gesetze gänzlich gleichgültig wäre, so wird die Frage, welche die Vernunft aufwirft, blos eine Aufgabe vor die Speculation und kan alsdenn zwar noch mit starken Gründen aus der Analogie, aber nicht mit solchen, denen sich die hartnäckigste Zweifelsucht ergeben müßte, unterstüzt werden[1]. Es ist aber

kein

  1. Das menschliche Gemüth nimt (so wie ich glaube, daß es bey iedem vernünftigen Wesen nothwendig geschieht)
ein
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 829. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_829.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)