Seite:Katzenschlucker.djvu/58

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

haben wir denn nicht noch gestern zusammen im „Blauen Bären“ Kegel geschoben?“

„Hoho! Er spottet noch!“ jammerte der Torwart, „er will mich bei einem hohen Rat verdächtigen, daß ich mit Gespenstern und Wassergeistern Kegel schiebe und mein Seelenheil und das mir anvertraute Wohl der Stadt durch eine so gefährliche Gesellschaft leichtsinnig aufs Spiel setze!“

„Aber so hört doch endlich einmal auf mit eurem Unsinn!“ rief es ärgerlich von draußen; „erkennt Ihr mich denn wirklich nicht? Ich bin doch Euer Freund, der Kaminfeger!“

„Alle guten Geister loben den Herrn!“ winselte oben der Torwächter. „Hat jemand schon einen grasgrünen Kaminfeger gesehen? Nein, daß müßt Ihr einem Dümmeren als mir erzählen, ich glaube Euch so etwas nie und nimmer!“

„Die Farbe macht den Menschen nicht aus, sondern das Gesicht!“ schrie wütend der Grüne. „Borgt Euch von eurer Frau die Hornbrille, dann werdet Ihr vielleicht doch die große Warze auf meinem linken Nasenflügel erkennen, um deretwillen Ihr mich so oft verspottet habt!“

Das schien dem Torwächter ein vernünftiger Vorschlag zu sein. Er kletterte die schmale Stiege vom Ausguck zu seiner Wohnung hinunter, nahm dort kurzerhand seiner besseren Ehehälfte die Brille weg, die sie sowieso gerade nicht brauchte, da sie über ihrem Strickstrumpf eingeschlafen war, dann stieg er wieder empor und betrachtete den Einlaß Begehrenden von hoher Warte. Wahrhaftig, es war der Kaminfeger! Aber so grün, so unglaublich grün, selbst seine dicke Nase und die Warze darauf waren grün! Der Torwächter mußte lachen, daß ihm das dicke Bäuchlein wackelte!

„Ja, Meister Fridolin,“ rief er, noch immer lachend, „was ist Euch denn widerfahren? Wer hat Euch denn das angetan?“

„Widerfahren? Angetan?“ gab der draußen zornig zurück. „Die Farbe habe ich mir selbst ausgesucht, daß Ihr es wißt! Wo steht es denn geschrieben, daß ein Kaminfeger schwarz sein muß?“

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Slawitschek: Anastasius Katzenschlucker, der große Zauberer. Vlg. des Deutschen Kulturverbandes, 1929, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Katzenschlucker.djvu/58&oldid=- (Version vom 21.5.2018)