Seite:Keplers Traum 035.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gesteckten Ziele zuwendet48. Aber infolge der bei Annäherung an unser Ziel stets zunehmenden Anziehung würden sie durch zu hartem Anprall an den Mond Schaden leiden, deshalb eilen wir voran und behüten sie vor dieser Gefahr. Gewöhnlich klagen die Menschen, wenn sie aus der Betäubung erwachen, über grosse Mattigkeit in allen Gliedern, von der sie sich erst ganz allmälig wieder erholen können, so dass sie im Stande sind zu gehen.

Ausser diesen begegnen ihnen noch viele andere Gefahren, deren Aufzählung indessen zu weit führen würde. Uns Geister trifft nichts Schlimmes. Wir bewohnen die Finsternisse der Erde, so lang sie sind; sobald solche Levania berühren, sind wir sogleich bei der Hand, um, gleichsam wie aus einem Schiffe, an’s Land zu steigen, und dort ziehen wir uns schleunigst in Höhlen und finstere Oerter zurück49, damit nicht die Sonne, die bald darauf mit voller Gluth wieder hervorbricht, uns aus unserm erwünschten Versteck heraustreibt und zwingt, dem weichenden Schatten zu folgen50. Dort haben wir nach Wunsch Ruhe vor dieser Gefahr. Die Rückkehr steht uns nur dann frei, wenn die Menschen auf der Erde die Sonne verfinstert sehen51; dann warten wir, zu Schaaren vereint, im Schatten des Mondes, bis, wie es häufig geschieht52, dieser mit seiner Spitze die Erde trifft und stürzen uns mit demselben wieder unter ihre Bewohner. Daher erklärt es sich, dass diese die Sonnenfinsternisse so sehr fürchten53.

So viel soll über die Reise nach Levania gesagt sein. Im Folgenden will ich von der Beschaffenheit dieses Landes reden, indem ich nach Sitte der Geographen von dem ausgehe, was man am Himmel sieht.

Obgleich man auf Levania genau denselben Anblick des Fixsternhimmels hat54, wie bei uns, so sieht man doch die Bewegungen und Grössen der Planeten ganz anders, als sie uns erscheinen, so, dass dort eine von der unsrigen völlig abweichende Astronomie herrscht.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 007. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_035.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)