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Tychos und dem bescheidenen stillen Schaffen Keplers. Einige Beispiele mögen meine Aeusserung illustriren: In dem Buche Dreyers ist eine Abbildung des grossen Mauerquadranten auf Uranienburg wiedergegeben, hiernach war der leere Platz an der Mauer innerhalb des Bogens durch ein Bild Tychos, sowie das Interieur seiner Wohnung geschmückt. Tycho ist, auf die Visiröffnung in der Wand zeigend, in ganzer Figur dargestellt, an einem Tische mit Buch, Zirkel und Winkel sitzend; zu seinen Füssen liegt ein Hund ‚als Sinnbild der Weissheit und der Treue‘. In der Mitte des Bildes ist eine Ansicht seines Laboratoriums, der Bibliothek sowie der Sternwarte, und an der hinteren Wand bemerkt man zwischen zwei kleinen Bildnissen jenen von Tycho verfertigten Globus, der automatisch die tägliche Bewegung der Sonne und des Mondes anzeigte. Ueber dem Bogen ist noch bildlich dargestellt, wie ein Schüler auf den Wink seines Meisters an einer Uhr die Zeit abliest, die ein daneben an einem Schreibtische sitzender Assistent sofort notirt. Solche Tycho glorificirende Malereien fanden sich an anderen Instrumenten noch weitere; deren Beschreibung würde hier indessen zu weit führen. Wie Dreyer erzählt, war die Kuppel von Tychos Arbeitszimmer mit Gras bedeckt, damit sie das Aussehen eines kleinen Hügels habe, ‚um den Parnass, den Berg der Musen‘ darzustellen und mitten darauf stand eine kleine aus Messing gefertigte Merkurstatue, die sich mittelst eines Mechanismus im Sockel drehen liess. Durch diesen und andere Automaten sollen die Bauern der Insel oft erschreckt und in dem Glauben bestärkt worden sein, Tycho sei ein Zauberer und ginge mit teufelischen Künsten um; wie er auch stets ein Vergnügen daran fand, einige Leichtgläubige in dem Wahn zu erhalten, er könne wahrsagen und hexen.

In den Zimmern seiner Assistenten waren kleine Glocken angebracht, die durch Berührung versteckter Knöpfe in des Meisters Arbeitszimmer in Bewegung gesetzt werden konnten, so dass er zur Ueberraschung seiner Gäste einen Schüler herbeirufen konnte, indem er, verstohlen den Knopf berührend, scheinbar nur ganz leise seinen Namen aussprach. Auch soll Tycho, im Bette liegend, durch ein Loch in der Wand und ein System beweglicher Spiegel, die Sterne beobachtet haben. Was würde dieser Mann nach jener Richtung geleistet haben, hätte er die Elektricität gekannt?

Doch alle diese kleinen Schwächen, die ja mit in den Verhältnissen und Anschauungen seiner Zeit begründet waren, können nicht seine grossen wissenschaftlichen Thaten, die er in Uranienburg vollbrachte, verdunkeln und gross und ewig leuchtet Tychos Name als ein Stern erster Grösse am astronomischen Himmel.[UE 1]

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Tycho Brahe, berühmter Astronom, hauptsächlich Beobachter; geb. 1546 [35] zu Knudstrup bei Helsingborg, gest. 1601 zu Prag. Brahe vertrat noch die Ansicht, dass die Erde still stehe und den Mittelpunkt des Sonnensystems bilde, er begründete auf dieser Ansicht ein eigenes Weltsystem, welches seinen Namen trägt, indessen gegen das copernicanische schon damals einen Rückschritt bedeutete. Das weitaus Bedeutendste, was er geleistet, waren seine 25jährigen genauen Planetenbeobachtungen, die Kepler später verwerthete. Daneben schrieb er viele astronomische und mathematische Werke, und einen Sternkatalog, verfertigte auch werthvolle astronomische Instrumente.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 034. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_062.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)