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91. [123.]


Damit die Venus den Mondbewohnern grösser erscheint, als den Erdbewohnern, muss die Venus der Erde und der Mond der Sonne am nächsten sein. Wenn aber der Mond der Sonne am nächsten ist, zur Zeit unseres Neumondes, dann sehen freilich die Medisubvolvaner weder die Sonne noch die Venus, weil sie dann ihre Mitternacht haben. Dieser Anblick bleibt also nur denen, welche den Divisor bewohnen. Es ist aber ein ziemlich augenscheinlicher Unterschied zwischen dem Anblick der Venus bei den Subvolvanern und dem Mars bei den Privolvanern (wiewohl die Bewohner des Divisors den Anblick beider geniessen können), weil bei der grössten Annäherung der Venus und der Erde noch ein Zwischenraum von 25 300 bleibt, wovon der Abstand des Mondes den grössten Theil beträgt (also geringer wie beim Mars, welcher, wie vorhin erwähnt, 36 443 beträgt) [Fig. 17].

Es resultirt dieser Vorgang für die Venus aus denselben Erwägungen, wie bei dem Mars, nur muss man bemerken, wie auch aus Fig. 17 hervorgeht, dass er sich ereignet, während wir Neumond haben; denn da die sogn. unteren Planeten, d. h. solche, deren Entfernung von der Sonne kleiner ist, als die der Erde, der Erde am nächsten sind, wenn sie zwischen Sonne und Erde stehen, so können sie auch dem Monde nur am nächsten kommen, wenn auch dieser zwischen Sonne und Erde steht, also sich uns als Neumond darstellt. Dann aber haben die Medisubvolvaner ihre Mitternacht und können die Venus nicht sehen. Dem ähnlich verhält es sich mit dem Merkur.

Da von allen Planeten die Venus der Erde am nächsten kommen kann, so muss auch der Mond sich ihr am meisten nähern und deshalb ihre scheinbare Grösse, vom Monde aus gesehen, am bedeutendsten variiren.

Aber alle diese Erscheinungen, die Kepler in N. [109] ff. erläutert, beruhen, wie wir gesehen haben, auf einer unrichtigen Voraussetzung und fallen in Nichts zusammen, wenn man die heutigen Werthe zu Grunde legt. In Wirklichkeit werden sich die Erscheinungen wohl nicht sehr von denen unterscheiden, wie wir sie von unserer Erde aus auch beobachten und sehen.


92. [124.]


Der Divisor wurde oben [C. 56 u. S. 8, o.] als der Kreis definirt, der durch die Pole der monatlichen Axendrehung des Mondes geht. Aber die Bahn des Mondes hat eine Breite einerseits nach Norden, anderseits nach Süden und die Axe, deren äusserste Enden die Pole bilden, steht senkrecht auf der Ebene der excentrischen Bahn.[UE 1] Obwohl

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Es ist hier nicht an eine excentrische Kreisbahn zu denken, sondern an eine [93] Bahn, die von der Kreislinie abweicht, eine Curve, worin der Centralkörper excentrisch steht [Ellipse].
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 092. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_120.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)