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oder den Fixsternen bestimmt, woraus dann die Länge des Ortes abzuleiten ist. Allerdings war auch hier wieder zu Keplers Zeiten die mangelhafte Kenntniss der Mondtheorie der praktischen Anwendung entgegen, aber heute gilt die Methode als eine der besten und wird neben der durch Bestimmung des Zeitunterschiedes mittelst genauer Chronometer besonders auf Schiffen angewandt.

Jener Franzose, von dem Kepler redet, ist der französische Physiker Guillaume Nautonnier, dessen ‚Mécométrie de l’aymant‘ [Längenbestimmung mit Hülfe der Magnetnadel; τὸ μῆκος, die Länge] 1603 zu Paris erschienen war. Die dort noch festgehaltene, von Kepler selbst früher gebilligte Lehre, dass sich gesetzmässig die magnetische Deklination mit der geographischen Länge ändere, war durch Gilberts ‚Physiologia nova de Magnete‘ (1600) beseitigt worden, und dieser Physiker lehrte, dass jede Erhöhung auf der Erde ein Localcentrum magnetischer Attraction sei, welches die Grösse der Missweisung und Neigung bestimme; Kepler hat die Gilbertsche Lehre jedoch nicht in aller Strenge adoptirt. Merkwürdig ist, wie Humboldt[UE 1] gefunden hat, dass Gilbert in seinem Werke, also kaum 20 Jahre nach der Erfindung des Inclinatoriums von Robert Norman, schon Vorschläge macht, die geographische Breite durch die magnetische Inklination zu bestimmen.

In seiner schon erwähnten Schrift hat Siegmund Günther den Standpunkt, welchen Kepler zu der Lehre vom Erdmagnetismus einnahm, erschöpfend klargelegt, sowie die Verdienste, die er sich um die Erweiterung dieser Lehre erworben, voll gewürdigt. Günther kommt darin auch auf unsere Stelle zu sprechen: danach scheint sich Kepler von der durch seinen Verkehr mit Nautonnier angeregten Idee, durch die Variation der magnetischen Deklination die geographische Länge zu bestimmen, noch 1607 nicht ganz losgesagt zu haben. Denn auf einen Brief von Herwart aus diesem Jahre, worin sich dieser u. A. wegen einer Anleitung zur Schiffahrtskunde, die systematischer gearbeitet wäre, als die des Nonius[UE 2] bei Kepler erkundigt, empfiehlt dieser ihm: ‚das höchst verdienstvolle Werk Gilberts über den Magneten und die geistvollen Spekulationen des languedocschen Edelmannes Nautonnier‘.

Dann kommt Kepler noch einmal, am Schluss des 3. Capitels seines ‚Auszug aus der Astronomie des Copernicus’ [1618] auf diese Idee zurück[UE 3], allein da ist seine Hoffensfreudigkeit bereits eine sehr herabgeminderte.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Kosmos I, S. 429.
  2. Pedro Nuñez, portugiesischer Geometer, geb. 1492 zu Alcazar, gest. 1577 zu Coimbra. Angeblich Erfinder des Nonius, einer Vorrichtung zum Messen kleiner Theile von Theilstrichen.
  3. K. O. O. VI, S. 299 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_129.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)