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sich bewegt, so wird es auf diesem einen Punkt geben, so gelegen, dass eine aus L durch ihn gezogene Linie in die Ekliptik fällt. Es sei dies der Punkt O. Für die in der Ekliptik liegenden Punkte stehen die Pole der Ekliptik im Horizont. Wenn also die Zeit des I. Viertels ist, muss, da auch im Augenblick desselben Winkel LOC ein rechter ist, O ein solcher Punkt sein, der sowohl die Pole der Ekliptik als auch die Volva im Horizont hat. Die Linie LO muss also der Sonne am nächsten sein und dann also die Sonne im Scheitel stehen und folglich muss es Mittag sein.

Es erhellt dieser Vorgang schon unmittelbar aus der Anschauung: den Mondbewohnern in O, denen zur Zeit des I. Viertels die Volva im Horizont erscheint [Linie OC], steht die Sonne im Scheitel [Linie LS], sie haben also Mittag. Im letzten Viertel, wo diese Bewohner sich in OI befinden, haben sie dagegen Mitternacht.


108. [147.]


Von den Flecken im Monde schliessen wir auf die Beschaffenheit der Mondoberfläche, als zusammengesetzt aus Nassem und Trocknem. Und dieser Rückschluss ist nicht falsch. Denn wir beweisen durch die sichersten optischen Lehrsätze, dass mit jener Verschiedenheit des Dunklen und Hellen eine Unebenheit und eine Gleichförmigkeit der Oberfläche verbunden sei, derart, dass das, was hell erscheint hoch und bergig, dagegen das, was dunkel, eben und niedrig ist. Hierdurch aber wird der Unterschied zwischen Land und Meer gebildet. Das ist Alles, was wir Erdbewohner von der Oberfläche des Mondes wissen.

Bis 1610; s. auch Appendix C. 2. [1].

Anderseits gestehe ich meinen Mondbewohnern aus der Umkehrung dieses Schlusses zu, dass, da ja die Oberfläche der Erde auch Berge und Meere hat, sie den Bewohnern des Mondes ebenfalls den Anblick von Flecken im Hellen darbietet.

Die Flecken in der Mondscheibe beschäftigten schon die Astronomen der frühesten Zeiten, eben weil sie mit blossem Auge sehr gut sichtbar sind; indessen war man über das Wesen derselben lange im Unklaren. Bekannt ist die Vorstellung von dem ‚Gesicht‘ und dem ‚Mann im Monde‘, obgleich schon mehr eine kindliche Phantasie dazu gehört, um sich diese Bilder zurechtzulegen. Nach Ansicht Anderer sollten sie ein Reh oder einen Hasen vorstellen, daher die Sanskritnamen: Reh- oder Hasenträger. Eine sehr phantastische Meinung über die Mondflecken war die des Agesianax: es sei der Mond ein Spiegel, der uns die Gestalt und Umrisse unserer Continente und Meere reflectire; und in Persien herrscht

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_133.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)