Seite:Keplers Traum 139.jpg

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solle. Diese Figuren müssten den Bewohnern unserer Nachbarplaneten, welche, mit guten optischen Instrumenten ausgerüstet, die sie umgebenden Weltkörper beobachten, auffallen; sie würden alsdann, um ihrerseits ihren Verstand zu zeigen, mit ähnlichen Figuren antworten, und so würde sich nach und nach eine Zeichensprache entwickeln, die schliesslich zu einer Verständigung führen könnte. Dieser Vorschlag ist gewiss sehr genial ausgedacht, er leidet nur an dem Uebelstand, dass die Unterhaltung eine sehr langsame sein würde, da zwischen Frage und Antwort immer mindestens die Zeit von einer Blüthe zur anderen, d. h. ein Jahr, vergehen müsste. Doch hiergegen weiss der Physiker Cros in Paris Rath: er will an Stelle der langsamen optischen Zeichen schnelle elektrische Lichtsignale von hoher Leuchtkraft treten lassen, die sich in regelmässigen Zwischenräumen wiederholen und so die Aufmerksamkeit unserer Nachbarn im Weltenraum erregen sollen.


109.


Hatten wir schon vorhin [C. 99] die sicheren Mittel kennen gelernt, welche den Seleniten ihre Volva zur geographischen Ortsbestimmung gewährt, so erkennen wir hier auf’s Neue, welche grossen Vorzüge sie auch bezüglich der Zeitbestimmung vor uns voraushaben. Man muss sich daran erinnern, dass der Tag der Mondbewohner ungefähr einem unserer Monate gleicht, und da die Phasen der Erde – ihrer Volva – sich in diesem Zeitraum wiederholen, so haben sie an diesen eine Eintheilung ihres Tages. Ferner haben sie eine solche an den Flecken der Volva und so eine natürliche, ewig beleuchtete, immer gehende Uhr am Himmel, welche ihnen den Tag in grössere und kleinere Theile theilt: die grösseren giebt die Lichtgestalt, die kleineren die Rotation der Erde. Bedenkt man ferner, dass die Mondbewohner in der Volva eine grosse Weltkarte [wie vorhin beschrieben] vor sich haben, die ihnen die Topographie der Erde in einer Genauigkeit zeigt, um die sie unsere Geographen beneiden müssen, so erscheint es umsomehr ein Räthsel, dass der Schöpfer seinen Menschen nicht diesen bevorzugten Platz zum Aufenthalt bestimmte [vergl. auch C. 143] und man kann sich wahrlich des Gedankens nicht erwehren, dass der Mond in einer früheren Periode, wo er noch für die Existenz lebender Wesen günstigere Verhältnisse aufwies, bewohnt war.


110.


Vergl. N. [109]. Diesen Nachsatz hat Kepler wohl aus dem Grunde gemacht, um den Werth der oben geschilderten Vorzüge in einem noch helleren Lichte erscheinen zu lassen; er meint, dass die zahlreichen Ungleichmässigkeiten

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_139.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)