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Dies erklärt sich aus C. 129. Ebenso nämlich, wie bei uns eine Sonnenfinsterniss keine eigentliche Verfinsterung der Sonne, sondern nur eine Bedeckung ist, so auch bei den Mondbewohnern, mit dem Unterschied, dass diesen die Sonne durch die Erde verdeckt wird. Für uns ist dann der Mond im Schatten der Erde und so kann es kommen, dass er für uns vollständig verfinstert, während auf gewissen Punkten des Mondes die Sonne noch theilweise sichtbar ist.

Dass übrigens bei unseren totalen Mondfinsternissen der Mond in den seltensten Fällen ganz unsichtbar wird, hatte schon Kepler mehrfach beobachtet, gewöhnlich sieht man die Scheibe während einer totalen Verfinsterung roth und zwar in allen Graden der Intensität der Farbe, vom Kupferrothen bis ins Feuerrothe und Glühende übergehend.

Diese Erscheinung führt schon Kepler auf eine Folge der Strahlenbrechung zurück, da die Sonnenstrahlen bei ihrem Durchgange durch die Atmosphäre der Erde abgelenkt und in den Schattenkegel geworfen werden; s. N. [194]. Die geröthete Scheibe ist nie gleichförmig farbig, sondern einige Stellen zeigen sich immer dunkler und dabei fortschreitend farbenändernd.[UE 1] Eine Mondfinsterniss, wobei der Mond vollständig verschwand, beobachtete Kepler am 9. Decbr. 1601, desgleichen Hevelius[UE 2] in Danzig am 25. April 1642, und in neuerer Zeit konnte bei der totalen Finsterniss vom 10. Juni 1816 selbst durch die stärksten Fernrohre die Mondscheibe nicht aufgefunden werden.


132. [184.]


Nämlich dann, wenn der Kernpunkt des Schlagschattens, welcher den eigentlichen Schatten des Mondes bildet, die Erdoberfläche nicht trifft, oder nur so unbedeutend berührt, dass er von den Strahlen der Sonne eingehüllt bleibt. Im ersteren Falle sehen die Mondbewohner keinen eigentlichen Schatten auf der Scheibe der Volva, aber sie bemerken doch an der Stelle, über welche der Schlagschatten hinstreicht, eine gewisse Entfärbung und Verdunklung; im letzteren Falle hingegen sehen sie um das Centrum herum einen Halbschatten, gleichsam wie von dünnen Wolken oder von einer durchschimmernden Decke überworfen, in unbestimmten Umrissen, ähnlich wie bei uns auf der Erde Pfeiler auf hohen Thürmen nicht vollständige Schatten, sondern nur durch reflektirte Sonnenstrahlen verwaschen erscheinende auf die darunter befindliche Ebene werfen.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. s. Kosmos III, S. 499 u. 500.
  2. Johann Hevel, geb. 1611 zu Danzig, gest. ebenda 1687. Bürgermeister und Astronom, beschäftigte sich hauptsächlich mit der Erforschung der Mondoberfläche. Erster Nachbesitzer der Keplerschen Manuskripte.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_150.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)