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Durch Zöllners[UE 1] Untersuchungen ist indessen festgestellt worden, dass erst 618 000 Vollmonde die gleiche Helligkeit wie die Sonne auf der Erde verbreiten würden. Unter dieser Voraussetzung würden also 618 00013,5 = ca. 46 000 Vollvolven dazu gehören, um den Mondbewohnern im wahren Sinne des Wortes ihre Nacht zum Tage zu machen.


138. [194.]


Das Nähere findet man in meiner Optik im Capitel von den Mondfinsternissen[UE 2], in welchem ich die Refraktion der Sonnenstrahlen in der die Erde umgebenden Atmosphäre dargestellt habe, wo die gebrochenen Strahlen in die Grenzen des Schattens von der östlichen Seite aus durch die Tiefe des Schattenkegels fortgepflanzt werden und an der westlichen Seite wieder heraustreten. Daher hat der zur westlichen Grenze des Schattens sich bewegende Mond die refraktirten Sonnenstrahlen gegen sich, die von der Grenze der östlich stehenden Erde kommen. Die Mondbewohner glauben daher, dass sie den östlichen Theil der Sonne jenseits ihrer Volva sehen, obwohl in Wirklichkeit die Volva fast ganz vor dem östlichen Theil der Sonne steht. Und diese Erscheinung haben jene Gegenden des Mondes, welche uns bei einer Mondfinsterniss sehr roth erscheinen, denn diese Röthe hat in den refraktirten Sonnenstrahlen ihren Grund. s. C. 131.

Die Helligkeitserscheinungen bei der von der Erde vollständig bedeckten Sonne werden auch theilweise auf die Wirkung der Sonnen-Protuberanzen zurückzuführen sein, welche sich ja bei einer auf dem Monde beobachteten Sonnenfinsterniss noch durch die Atmosphäre der Erde, die Schwärze des Himmels u. s. w. vergrössern muss. Auch bei uns sind diese Protuberanzen die Ursache, dass selbst bei einer totalen Verfinsterung der Sonne, auch wenn sie ganz central ist, keine vollständige Dunkelheit eintritt, sondern nur eine tiefe Dämmerung.

Die Sonnen-Protuberanzen erreichen oft eine Höhe bis zu 3/4 des Sonnenradius, also ca. 530 000 km. Die Geschwindigkeit des Emporsteigens wurde zu 200–255 km in der Sekunde berechnet, Geschwindigkeiten, die als mechanische Bewegungen schwer erklärlich wären, dagegen würden diese Vorgänge durch die Annahme, dass es sich dabei um eine Entzündung der gasförmigen Umhüllung der Sonne handle, ihre Deutung finden.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Johann Carl Friedrich Zöllner, geb. 1834 in Berlin, Physiker und Astronom an der Sternwarte zu Leipzig, beschäftigte sich hauptsächlich mit photometrischen Untersuchungen der Himmelskörper.
  2. ‚Astron. Pars Optica‘ 1604; K. O. O. II, S. 297 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_153.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)