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bedeutendsten Mare nubium – das Wolken-Meer – Mare imbrium – das Regen-Meer – Mare serenitatis – das heitere Meer – und Oceanus Procellarum – das stürmische Meer – mit dem Ringgebirge Kepler in der Mitte; ersteres im südlichen, die nächsten beiden im nördlichen und das letztere auf dem östlichen Theil der Mondscheibe liegend.[UE 1] Andere Gebilde, wie die Rillen, Strahlen, Lichtadern, Gruben und Einsenkungen sind über die ganze Mondoberfläche verbreitet. Die Lichtadern ziehen sich oft durch weite Gebiete in einer Länge von 225–1000 km fort, quer über alle Mondgebilde, ohne durch sie im geringsten verändert zu werden.

Ueberblickt man alle diese Gebilde, so kann man sich kaum wundern, dass schon Keplers schwachem Auge die Mondoberfläche ‚stellenweise ganz poröse und von Höhlen und Löchern allenthalben gleichsam durchbohrt‘ erschien!


151. [211.]


Hier ist der Verstand, verlassen von allen Beweisen des Auges, auf sich selbst angewiesen. Aber wenn ich damals[UE 2] gewusst hätte, dass der Mond so viele tief liegende Höhlen habe, wie sie das Fernrohr des Galilei ans Licht bringt oder wenn ich den von der Grotte der Hekate fabelnden Plutarch gelesen hätte, so würde ich, glaube ich, diese Sätze mit freierer Feder geschrieben haben.

Hatte Kepler, wie wir gesehen haben, schon eine annähernd richtige Ansicht über die Formen der Mondoberfläche, so stellt er sich die Entstehung derselben ganz anders vor, als sie in Wirklichkeit vor sich gegangen ist. Wir werden später aus seinem ‚Selenographischen Anhang‘, dem interessanten Brief an den Jesuiten Guldin, welchen er nach der Betrachtung des Mondes durch ein Fernrohr schrieb, noch Näheres hierüber erfahren.

Heute kennen wir, dank der unermüdlichen Arbeit der Astronomie, auch das Geheimniss der Entstehung der gewaltigen Umwälzungen auf der Mondoberfläche. Wir wissen, dass sie nicht hervorgerufen wurden durch aus dem Innern des Mondes ausbrechende Dämpfe, auch nicht vulkanischen Ursprungs sind, sondern dass jene Wallebenen, jene Ringgebirge, jene Krater u. s. w. entstanden sind durch den Fall kosmischer Körper. Andere Weltkörper von kleineren Dimensionen als der Mond waren es, die mit ihm zusammenstiessen und seiner Oberfläche die jetzige Gestalt gaben.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Zur Orientirung der Lagen der hier angegebenen Mondgebilde diene die Darstellung der selenographischen Eintheilung der subvolvanen Hemisphäre des Mondes. Tafel I.
  2. z. Zt. als Kepler den Text schrieb: 1593–1609.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_164.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)