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161.


Es ist hier an gleiche Gewohnheiten der Eidechsen und Krokodile zu denken, sich mit Vorliebe dem heissesten Sonnenschein auszusetzen und bei einer herannahenden Gefahr blitzschnell in ihre Schlupfwinkel zurückzuziehen.


162. [220.]


Von den Völkern Culomorens; einer nördlichen Provinz Scythiens, wird erzählt: es gäbe dort Leute, die, wenn die lange Nacht hereinbräche, stürben und wieder auflebten, sobald die Sonne wiederkehre, ja selbst nach dem wirklichen Tode als abgeschiedene Seelen wiedererschienen. Hierüber siehe Näheres in Mart. Delrios magischen Untersuchungen.

S. auch N. [28]. Gemeint sind die Hyperborēer, ein fabelhaftes Volk, dessen Wohnsitz man in den äussersten Norden [‚über den Boreas hinaus‘] verlegte. Sie sollen, dem Nordwinde nicht ausgesetzt, sich eines ewigen Frühlings erfreut haben und eifrige Verehrer Apollons gewesen sein; s. auch C. 112 ff.


163.


Kepler illustrirt in Note [221] diese wunderbare Erzeugung von Lebewesen aus Naturstoffen durch einige Citate aus den ‚Berichten‘ Scaligers.[UE 1] So sollen aus dem durch die Gluth der Sonne aus Schiffsbalken ausgeschwitzten Harz Enten sich erzeugen, die sich dann in die unten vorüberrauschenden Wogen stürzen, und ein bekannter Baum Schottlands soll ähnliche Erzeugnisse hervorbringen. Er selbst habe – so fügt Kepler hinzu – im Jahre 1615 während eines äusserst heissen Sommers in Linz einen weit hergebrachten Wachholderstrauch gesehen, an dessen Harz eine unbekannte Art von Insekten, an Farbe dem Hornkäfer gleichend, geklebt habe u. s. w.

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Man ersieht aus dieser ganzen Schilderung der Lebewesen auf dem Monde, wie Kepler sie in seinem ‚Traum‘ giebt, dass sie wohl weniger aus der Ueberzeugung des wirklich Wahren, von ihm Geglaubten hervorgegangen

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Julius Cäsar Scaliger [eigentlich Bordone della Scala], berühmter Gelehrter und Dichter, geb. 1484 auf Schloss Riva am Gardasee, gest. 1558 zu Agen; übte zunächst das Kriegshandwerk unter Kaiser Maximilian und studirte später noch Medicin. Im Jahre 1557 erschien sein bedeutendstes wissenschaftliches Werk ‚Exercitationum exotericarum liber quintus decimus de subtilitate ad Cardanum‘, welchem Kepler die obigen Citate entnommen hat. Mit den Werken Scaligers, des Vaters und des Sohnes [Joseph Justus, geb. 1540 zu Agen, gest. 1609 zu Leyden, hauptsächlich als Chronolog bekannt] hat Kepler sich sehr eingehend beschäftigt, wie aus seinen Werken hervorgeht.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_170.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)