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Umkehrung der Eindruck, den man von aussen her von dem sichtbaren Gegenstand erhält.

Auch diese Lösung erkennt der Verfasser in einer Note zu These 151 an, verschweigt aber meinen Namen und erläutert dieselbe nach allen Seiten, indem er begründet, dass dasselbe auch am Tage der Fall sei. Gewiss! Das, womit ich seine Ansicht widerlege, ist zwar bei Nacht noch augenscheinlicher, hat aber auch bei Tage Geltung.

Demnach kann man hieraus und besonders aus dem 4. und 5. Versuch einen Beweis für das Vorhandensein einer Atmosphäre auf dem Monde nicht finden. Denn wenn auch die Sonnenstrahlen sie durchdringen und sehr hell leuchten lassen, so ist zwar nichtsdestoweniger diese Umhüllung fähig, Schatten zu werfen, aber dennoch ändert sie, von dieser Helligkeit erfüllt, sehr bedeutend ihr Ansehen; und darin ist auch die Erscheinung einer vergrösserten Ausdehnung des erleuchteten Theiles begründet, welche also nicht durch wirkliche Ausdehnung, wohl aber durch wirklichen Glanz und Klarheit jenes zu frühe Sichtbarwerden des Mondes verursacht. Nach meiner Ansicht ist das Uebergreifen der Sichel, wie es wirklich zu sehen ist, nicht eine Ausdehnung, gleichsam als wenn sie etwas an Maass zugenommen hätte, sondern die wirklich vorhandene Helligkeit verursacht die scheinbare grössere Ausdehnung wegen der stärkeren Reizung der Netzhaut des Beschauers.

Siehe auch, was ich in dieser Sache gegen ähnliche Versuche des David Fabricius im Vorwort zu meinen ‚Ephemeriden‘ geschrieben habe.

Den dritten Beweis habe ich übersprungen; diesen bringt der Disputant in die 149. These hinein: Der Rand der erleuchteten Mondscheibe ist klar, rein und fleckenlos, in der Mitte dagegen erscheint der ganze Mond voller Flecken; allerdings, weil die Mondatmosphäre dem Auge inmitten der Mondkugel dünn und in den Senkungen seicht, nach dem Rande dagegen dicker vorkommt. So tritt z. B. auf der Erde die Atmosphäre, trotzdem sie von der Sonne beleuchtet wird, nicht sonderlich für das Auge in die Erscheinung und verdeckt nicht einmal für den aus tiefen Schluchten Hinaufschauenden die grösseren Gestirne; die Luft dagegen, die unsere Berge weithin umschliesst, wird weiss, weil sie auf das Auge den Eindruck grösserer Dichte macht; die noch weiter hinaus liegenden Berge färbt sie dunkelblau, ja verdunkelt sie sogar vollständig, und selbst wenn die Sonne nicht scheint, verfinstert sie sogar die hellsten aufgehenden Sterne. So sind auch meistens die Wolken über uns entweder gar nicht sichtbar oder verhüllt

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_177.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)