Seite:Keyserling Wellen.pdf/58

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Der Himmel wurde jetzt farbig, die Wolken am Horizont bekamen dicke goldene Säume und eine Welle von Rot übergoß den Himmel. Auch in das Graugrün des Meeres mischten sich blanke Fäden, und die Höhlungen der brechenden Wellen am Strande füllten sich mit Rosenrot, und plötzlich begann das Meer weiter dem Horizonte zu ganz in Rotgold zu brennen. Knospelius blieb stehen und machte mit seinem langen Arm eine große Bewegung auf das Meer hinaus, als wollte er das Meer vor Doralice ausbreiten.

„Sehen Sie,“ sagte er, „das ist nun der allmorgendliche Farbenspektakel. Eine hygienische Maßregel. Die Natur wird ganz rücksichtslos da mit all diesem Rot und Gold überschüttet. Das soll anregen wie uns die Morgendusche oder der Morgenkaffee. Wenn Sie noch einige Schritte weiter gehen wollen, so können wir einen hübschen, ja ich sage geradezu einen hübschen Anblick haben.“

So gingen sie denn weiter. Sie kamen an eine Stelle des Ufers, wo eine hohe Sanddüne ganz nah bis an das Wasser herantrat, die Wellen unterspülten sie so, daß die Sandwand teilweise eingestürzt war. Bei hohem Seegang waren große Stücke des Erdreichs abgebröckelt und fortgerissen worden, überall klafften Höhlen und Risse, das

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)