Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1812 I 028.jpg

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es wär’ ihre Schwester; darüber freuten sie sich alle, und waren froh, daß sie es nicht getödtet hatten.

Das Schwesterchen übernahm nun den Haushalt, und wenn die Brüder auf der Jagd waren, sammelte es Holz und Kräuter, stellte zu am Feuer, deckte die Bettlein hübsch weiß und rein, und thät alles unverdrossen und fleißig. Einmal geschah es, daß es fertig war mit aller Arbeit, da ging es in den Wald spazieren. Es kam an einen Platz, wo zwölf schöne hohe, weiße Lilien standen, und weil sie ihr so wohl gefielen, brach sie alle miteinander ab. Kaum aber war das geschehen, so stand eine alte Frau vor ihr: „ach meine Tochter, sagte sie, warum hast du die zwölf Studentenblumen nicht stehen lassen! das sind deine zwölf Brüder, die sind nun alle in Raben verwandelt worden und sind verloren auf ewig.“ Das Schwesterchen fing an zu weinen, „ach!“ sagte es, „giebts denn kein Mittel sie zu erlösen?“ „Nein, es ist kein Mittel auf der Welt, als ein einziges, das ist so schwer, das du sie nicht damit befreien wirst: du mußt zwölf ganzer Jahr stumm seyn, sprichst du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine Stunde daran, so ist alles umsonst und deine Brüder sind in dem Augenblick todt.“

Das Schwesterchen setzte sich da auf einen hohen Baum im Wald und spann und wollte

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1812). Berlin 1812, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_I_028.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)