Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 024.jpg

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es nur zwei steinalte Frauen, die vom Sitzen so breit geworden sind, daß sie kaum zur Stube herein können: von dem Netzen und Lecken des Fadens haben sie dicke Lippen, vom Ziehen und Drehen desselben aber häßliche Finger und breite Daumen. Die hessische leitet auch anders ein, daß nämlich ein König nichts lieber gehabt als das Spinnen, und deshalb zum Abschied bei einer Reise seinen Töchtern einen großen Kasten mit Flachs zurückgelassen, der bei seiner Wiederkehr gesponnen sein sollte. Um sie zu befreien, ladete die Königin jene drei misgestalteten Jungfrauen ein und brachte sie dem König bei seiner Ankunft vor die Augen. Prätorius erzählt im Glückstopf S. 404–406 das Märchen folgendergestalt, eine Mutter kann ihre Tochter nicht zum Spinnen bringen und gibt ihr darum oft Schläge. Ein Mann, der das einmal mit ansieht, fragt was das bedeuten solle. Die Mutter antwortet „ich kann sie nicht vom Spinnen bringen, sie verspinnt mehr Flachs als ich schaffen kann“. Der Mann sagt „so gebt sie mir zum Weib, ich will mit ihrem unverdrossenen Fleiß zufrieden sein, wenn sie auch sonst nichts mitbringt“. Die Mutter ists von Herzen gern zufrieden, und der Bräutigam bringt der Braut gleich einen großen Vorrath Flachs. Davor erschrickt sie innerlich, nimmts indessen an, legts in ihre Kammer und sinnt nach was sie anfangen solle. Da kommen drei Weiber vors Fenster, eine so breit vom Sitzen daß sie nicht zur Stubenthüre herein kann, die zweite mit einer ungeheuern Nase, die dritte mit einem breiten Daumen. Sie bieten ihre Dienste an und versprechen das aufgegebene zu spinnen, wenn die Braut am Hochzeittage sich ihrer nicht schämen, sie für Basen ausgeben und an ihren Tisch setzen wolle. Sie willigt ein, und sie spinnen den Flachs weg, worüber der Bräutigam die Braut lobt. Als nun der Hochzeittag kommt, so stellen sich die drei abscheulichen Jungfern auch ein: die Braut thut ihnen Ehre an und nennt sie Basen. Der Bräutigam verwundert sich und fragt wie sie zu so garstiger Freundschaft komme, „ach“, sagt die Braut, „durchs Spinnen sind alle drei so zugerichtet worden, die eine ist hinten so breit vom Sitzen, die zweite hat sich den Mund ganz abgeleckt, darum steht ihr die Nase so heraus, und die dritte hat mit dem Daumen den Faden so viel gedreht“. Darauf ist der Bräutigam betrübt worden und hat zur Braut gesagt sie sollte nun ihr Lebtage keinen Faden mehr spinnen, damit sie kein solches Ungethüm würde.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_024.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)