Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 146.jpg

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und aus dem Wartburger Krieg (MS. 2,5a), wo Ofterdingen spricht (sie) hânt gense wân, sô si den wolf erkennent unde wellent ûz den ziunen gân.


87.
Der Arme und Reiche.

Aus der Schwalmgegend in Hessen. Ein altdeutsches Gedicht (Hagens Gesamtabenteuer Nr. 37 und Anm. 2, 253) erzählt das Märchen folgender Gestalt. Ein Mann lebt mit seiner Frau in großer Armuth, und sie thun beide vielfache Gebete zu Gott um weltlichen Reichthum. Da schickt Gott endlich einen Engel herab, der ihn vermahnt nicht um etwas zu bitten, das Gott ihm ebenso mit Recht versage als er es andern gewähre. Der Mann aber läßt nicht ab „ich bete so lange“, spricht er, „bis Gott Gnade an mir erzeigt und meinen Willen thut“. Der Engel antwortet „da du weder dem obersten Gott noch mir glauben willst, so versuche dein Heil, bleibst du hernach arm, so bist du selbst Schuld daran; dir sollen nämlich drei Wünsche gewährt sein (habe drîer wünsche gewalt)“. Der Mann geht zu seiner Frau und beräth sich mit ihr, „was soll ich wünschen? einen Berg von Gold, oder einen Schrein voll Pfennige die nicht abnehmen, wieviel ich davon brauche?“ Die Frau verlangt einen Wunsch für sich, „du hast genug an den zweien, du weißt wohl daß ich meine Beine so viel darum gebogen, und Gott hat es sowohl meines als deines Gebets wegen gewährt“. „Das ist billig, einer von den Wünschen sei dein“ antwortet der Mann. Da spricht die Frau „so wünsch ich daß ich das beste Gewand jetzt an meinem Leibe hätte, wie es noch an keinem Weibe in der Welt gesehen worden“. Kaum hat sie den Wunsch ausgesprochen, so ist er erfüllt. Der Mann wird aufgebracht darüber und ruft „so wollt ich daß das Gewand in deinem Leib wäre!“ Alsbald ist der Wunsch in Erfüllung gegangen. Die Frau fängt an zu schreien und schreit mehr und mehr, daß die Bürger es hören und herbeigelaufen kommen. Sie zücken Messer und Schwert und drohen ihm den Tod, wenn er das Weib nicht wieder von der Qual befreie. Da spricht er „so wolle Gott daß sie sanft von dem Ungemach erlöst werde und gesund sei wie vorher.“ Dieser dritte Wunsch geht nun auch in Erfüllung, und

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_146.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)