Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 170.jpg

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ist der Flammensaal der nordischen Sage, geradezu übereinstimmend mit dem altdänischen Lied (Altdänische Lieder u. Märchen S. 31 und Anmerk. S. 496. 497), wo Bryniel auf dem Glasberge sitzt, welchen nur ein besonderes Pferd (Grani) besteigen kann. Die Verwandtschaft und Vertauschung der Flamme und des schimmernden Glases liegt sehr nah. Der Schlaftrunk vor dem sie ihn warnt und der ihn überwältigt, ist der Vergessenstrank der nordischen Grimhild.

Eine Annäherung zu den sieben Raben (Nr. 25) ist sichtbar und doch besteht dieses Märchen für sich. In einem der Braunschweiger Sammlung, das sonst ganz anders ist, kommt S. 226 ff. vor, wie die Verwünschte dreimal vorbei fährt und der Ritter der zu ihrer Erlösung wachen soll, weil er aus einer Quelle getrunken, an einer Blume gerochen, einen Apfel genossen, eingeschlafen ist; sie legt ihm jedesmal ein Geschenk zur Seite, ihr Bild, eine Bürste die Geld schafft, ein Schwert mit der Inschrift „folge mir“. Auch ist die Farbe ihrer Pferde jedesmal, wie hier, verschieden. Übrigens beweist diese Gestaltung den näheren Zusammenhang mit dem vorangehenden Märchen vom goldenen Berg, denn der Ritter hat auch vorher die Verzauberte aus ihrer Schlangengestalt durch Schweigen bei furchtbaren Gespenstern erlöst. Über das Kundgeben durch das Werfen des Rings in den Weinbecher vergl. Hildebrands Lied S. 79.


94.
Die kluge Bauerntochter.

Aus Zwehrn. Hier hat sich deutliche Spur der alten Sage von Aslaug, Tochter der Brünhild von Sigurd, erhalten. Wiewohl eine königlich geborne, die durch Unglück in die Hände von Bauern gerathen ist, nicht ausdrücklich genannt, zeigt sich doch klar dasselbe Verhältnis. Sie ist über ihren Stand und ihre Eltern weise, und der König wird, wie Ragnar auf Kraka (so heißt Aslaug als Bäuerin), durch ihre Klugheit aufmerksam gemacht. Um sie zu prüfen, legt er ihr gleichfalls ein Räthsel vor, das sie durch ihren Scharfsinn glücklich und rasch löst. Der Inhalt des Räthsels selber stimmt nah zusammen, und es sind nur verschiedene Äußerungen desselben Gedankens.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)